Helga-Maria Marcks hat in ihrer Krimikomödie Mord und Hochzeitsspitzen* das traurige und wütend machende Thema des Missbrauchs in einen amüsanten Plot eingearbeitet: Zwei in die Jahre gekommene Schwestern können nicht dazu schweigen, wenn kleine Jungen über Jahre missbraucht werden, wenn ein Mann seine Frau vor den Augen seiner Kinder vergewaltigt, wenn einer hochschwangeren Frau in den Bauch getreten wird oder wenn junge Mädchen auf Partys halb zu Tode gequält werden.
Die ehemalige Wedding Plannerin Judy bewohnt seit vierzig Jahren die von ihrem Erbteil gekaufte Villa Fiorita in der Toskana. Nach dem Tod ihres Schwagers zog auch ihre Schwester Titty zu ihr aufs Land, wo beide mit Paolino, der für den Garten und das leibliche Wohl zuständig ist, und dem Mops Filippo leben. In der Dorfgemeinde und bei Priester Don Salvatore sind die Schwestern einerseits hochgeachtet, spenden sie doch großzügig für die Schule und geben bereitwillig von ihrer Ernte ab. Auf der anderen Seite erfahren die Schwestern über das Darknet von Peinigern, die sie in ihre Villa locken, vergiften und schließlich unter ihren Weinbergen verscharren, im festen Glauben, lediglich Gottes Willen auszuführen und die Welt zu verbessern.
Als sie von einem Mann hören, der seine Ehefrau schlägt, laden sie auch ihn in ihre Villa ein. Bruno, der seinen Bruder Walter telefonisch nicht mehr erreichen kann, besucht deshalb dessen Ehefrau und ist entsetzt, als er sie mit verschobener Nase und irgendwie herunterhängendem Auge antrifft. Erinnerungen an blaue Flecken an Armen und Beinen drängen sich ihm auf und auf seine Frage, wo sein Bruder ist, antwortet ihm seine Schwägerin, dass er eine Reise zur Villa Fiorita in die Toskana gewonnen hätte. Auch wenn Bruno weiß, dass Walter ein Spieler ist, fühlt er sich verpflichtet, ihn aufzusuchen.
Eines Tages steht völlig überraschend Tommy vor der Tür, der Sohn von Judy. Doch der kommt nicht alleine und bringt Alice mit, die er seiner Mutter und Tante als seine Verlobte vorstellt. Der noch nichtsahnende Tommy hebt in seinem früheren Zimmer den Deckel einer Truhe an, woraufhin ihm beim Angesicht einer Leiche der Schreck in die Glieder fährt. Als Bruno in der Villa auftaucht, erinnert sich Judys Freund Geatano, Maresciallo der Carabinieri, diesen auf der Straße bereits nach seinen Papieren gefragt zu haben. Zu allem Überfluss taucht auch noch Bobby, der von Tommy verhasste Bruder, mit einem Kollegen auf. Für die Schwestern wird es nun eng.
Die in großer Schrift gedruckte Krimikomödie Mord und Hochzeitsspitzen* weckt von den ersten Seiten an das Interesse des Lesers, der auf den weiteren Handlungsablauf neugierig ist. Zunächst irritiert ihn, wenn vom zu sparsamen Gebrauch des Vin Santo die Rede ist oder ein armer Teufel zu lange gebraucht hat, wobei er sich jedoch schon seinen Teil denkt. An Pappkameraden, auf die sie schießen, reagieren sich die beiden Schwestern Judy und Titty ab, wobei sie sich vorstellen, einen der „Scheißkerle“ oder „Hurenböcke“ zu treffen, die sich an wehrlosen Opfern vergangen haben. Aus den Trauben ihrer Weinberge gewinnen sie den für den Ort vorgesehenen Messwein Vin Santo, der ebenfalls von ihren Besuchern als Dessertwein geschätzt wird. Abgefüllt haben sie ihn in Flaschen mit einer goldenen Kapsel und einer roten, die allerdings, entsprechend präpariert, nur für den „speziellen Gebrauch“ vorgesehen ist.
Helga-Maria Marcks erinnert im Plot an die Folgen des Klimawandels, für die auch Billigairlines, Coffee to go Becher oder Plastikbehälter von Lieferservices verantwortlich sind. Sie widmet sich den Flüchtlingen, die einen gefahrvollen Weg übers Meer wagen, doch in erster Linie thematisiert sie die immer mehr in den Focus rückenden Fälle von Gewalt und Missbrauch sowie die zunehmend in der Öffentlichkeit bekannt werdenden Missbrauchsfälle durch Priester.
Was die Protagonisten anbelangt, so wird Titty als „menschgewordener Aschenbecher“ beschrieben und raucht zu viel, sehr zum Leidwesen ihrer Schwester. Pikanterweise ist Alice, die Verlobte von Tommy, auch noch Ärztin mit dem Spezialgebiet Toxikologie, und in dieser Eigenschaft arbeitet sie eng mit Rechtsmedizinern zusammen, was natürlich im Plot Befürchtungen aufkommen lässt. Nicht zu unterschätzen auch der Maresciallo Gaetano, der natürlich für Recht und Ordnung zu sorgen hat, aber nicht so ganz genau hinsieht, wenn ein köstliches Festessen lockt. Immer dann, wenn der Leser glaubt zu wissen, wie es weitergeht, kommt es anders und er wird mit einer Wendung überrascht. Die im Kern mit einem ernsten Thema behaftete Krimikomödie Mord und Hochzeitsspitzen* verspricht ein herrliches Lesevergnügen.
Mord und Hochzeitsspitzen von Helga-Maria Marcks
Books on Demand 2024
Broschur
308 Seiten
ISBN 978-3-7597-1219-6