Amira und Josef verbringen ihren Urlaub in der Thalbacher Hütte im Wald, weit abgelegen vom nächsten Ort. Josef hat dort die Sommer seiner Kindheit verbracht. Vor nunmehr zweiundzwanzig Jahren, als er zwölf Jahre alt war, hat es jedoch einen tödlichen Unfall gegeben: Sein Vater wurde von Baumstämmen erschlagen. Das Paar hofft, im Urlaub Zeit für sich zu haben. Amira, die unbedingt schwanger werden will, setzt Josef allerdings an ihren fruchtbaren Tagen unter Druck, was zu Spannungen zwischen den beiden führt. Ihm kommen gar Zweifel, da seine Eltern nur so lange glücklich miteinander waren, bis er auf die Welt kam. Vierunddreißig Wochen später besuchen die werdende Mutter Amira und Josef wieder die Hütte.
Jessica Lind hat ihren Protagonisten im Roman „Mama“ keine Nachnamen gegeben. Über den Handlungsort erfährt der Leser lediglich, und das auch erst fast am Ende des Plots, dass die Wohnung des Paares in Wien liegt. Von Anfang an hat die Geschichte einen mysteriösen Anklang. Obwohl Josef so viele Sommer seiner Kindheit an diesem Ort verbracht hat, verfährt er sich und findet die Hütte nicht auf Anhieb. Ebenso findet er eine Lichtung nicht wieder, die er unbedingt auffinden will. Selbst später, als das Paar gemeinsam nach Hause fahren möchte, findet er aus dem Wald nicht mehr heraus und landet nach einer Irrfahrt wieder vor der Hütte.
Im Handlungsverlauf zeichnet die Autorin die Veränderungen nach, die sich seit der Geburt ihrer Tochter in Amira zugetragen haben. Von einem Wanderer, wobei für den Leser unklar bleibt, ob es sich dabei lediglich um eine imaginäre Erscheinung handelt, fühlt sich Amira zunehmend beobachtet. Eine Situation mit einer sich der Hütte nähernden Hündin hat sie falsch eingeschätzt, weshalb sie sich auch von dieser beobachtet und verfolgt fühlt. Sie entdeckt Fußabdrücke im Haus, die nur von einem Fremden herrühren können und ist von der Angst besessen, dass ihrer inzwischen dreijährigen Tochter Luise etwas zustoßen könnte. Als Josef mit Luise in den Wald geht, kommt Amira vor Sorgen fast um. Sie dreht durch, verfällt scheinbar dem Wahnsinn und hat nur noch einen Wunsch: So schnell wie möglich von der Hütte aus dem Wald wegzukommen.
Der Leser kann, wie die Protagonistin selbst, nicht unterscheiden, was Real ist. Es geschehen einige surreale Dinge und er weiß nicht einzuschätzen, ob es sich bei dem Geschehen nur um Träume von Amira handelt. Die Zeitebenen verschieben sich für Amira, sie weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Trotz der recht verstörenden Entwicklungen weckt die Handlung die Neugier auf den weiteren Verlauf des Romans „Mama“ , der von Jessica Lind in zumeist kurzen Sätzen umgesetzt wurde. Was genau die Autorin mit der Geschichte zu vermitteln versucht, bleibt bei aller Spekulation unergründlich. Allerdings sollte jedes Paar sich vor einem Kinderwunsch darüber im Klaren sein, dass der Satz „Nichts bleibt, wie es war, wenn man ein Kind bekommt“ unbedingt eine Gültigkeit hat, wobei sich diese Aussage sowohl auf einen negativen, wie auch auf einen positiven Ausgang beziehen kann.
Mama von Jessica Lind
Verlag Kremayr & Scheriau 2021
Hardcover mit Schutzumschlag
192 Seiten
ISBN 978-3-218-01280-5