Leas Spuren von Bettina Storks

Leas SpurenDie Historikerin Marie Bergmann erhält einen Brief von einem Notar. Er bittet sie, ihn in Paris wegen einer Erbangelegenheit aufzusuchen, bei der es um den Verstorbenen Victor Blanc geht. Notgedrungen folgt sie der Einladung und wird mit Nicolas Blanc, dem zweiten Erben und Enkel von Victor, bekannt gemacht. Der Verstorbene, so erfahren beide, hatte während des Zweiten Weltkrieges eine Beziehung zu der verstorbenen Charlotte Schneider, die eine Schwester der Großmutter von Marie war. In dem Testament vermacht Victor eine Wohnung in bester Lage von Paris den beiden verblüfft dreinblickenden Leuten je zur Hälfte. Allerdings knüpft er an das Erbe die Bedingung, dass sie binnen eines Jahres ein verloren gegangenes Gemälde von Jakob Stern aufspüren und an den rechtmäßigen Besitzer übergeben. Andernfalls geht die Wohnung an eine Sozialeinrichtung. Zudem darf das Erbe nicht einseitig ausgeschlagen werden. Weder der Notar, noch Nicolas oder Marie können sich einen Reim darauf machen, was Victor mit einer einzulösenden Schuld Maries Großtante gegenüber meint.

Nicolas, der als Journalist in Paris arbeitet, ist unverständlich, wie sein Großvater, der nach seiner Pensionierung als Staatsanwalt in einer Senioreneinrichtung wohnte, die Wohnung über siebzig Jahre verheimlichen konnte. Trotz aller Bedenken, das Erbe anzunehmen, beschließen Nicolas und Marie, zumindest einen Blick in die Wohnung zu werfen. Prompt stoßen sie im ehemaligen Arbeitszimmer auf Unterlagen, die auf eine Zusammenarbeit mit den Nazis deuten könnte. Als sich auch noch ein Sonderausweis, ausgestellt auf den Namen von Charlotte Schneider findet, ändert Marie ihre Meinung. Erste Recherchen ergeben, dass der Maler Jakob Stern Jude war und das Gemälde seine zweijährige Tochter Lea abbildet. Marie, die es beruflich immer wieder nach Stuttgart zieht, nimmt die Gelegenheit wahr und sucht das Gespräch mit ihrer Großmutter in der Hoffnung, dass die ihr mehr über ihre während des Krieges in Paris lebende Schwester Charlotte sagen kann. Doch erst ein Archivar führt Nicolas und Marie auf „Leas Spuren“.

Der Roman von Bettina Storks beginnt damit, wie Victor Blanc in Paris eine Wohnung aufsucht und sich seiner großen Liebe, aber auch seiner großen Schuld erinnert. Er will etwas erledigen, doch der Tod kommt ihm zuvor. Danach wechselt die Autorin zwischen dem aktuellen Geschehen und den Jahrzehnte zurückliegenden Ereignissen: Als Student der Kunstgeschichte lernt der junge Victor in Paris die deutsche Charlotte Schneider kennen, in die er sich verliebt. Um den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten, unterbricht Bettina Storks im entscheidenden Moment den jeweiligen Handlungsstrang. So ganz nebenbei macht sich der Leser die früher begrenzten Möglichkeiten der Kommunikation bewusst, denn wenn sich heute jemand um seine Liebsten sorgt, bekommt er in kürzester Zeit eine Antwort über Whats-App, wohingegen damals ein Telegramm aufgegeben oder ein Gespräch beim Postamt angemeldet werden musste.

Bettina Storks hat für ihren Roman „Leas Spuren“ eine ausgezeichnete Recherche betrieben und reale Personen wie die Widerstandskämpferin Rose Valland oder den deutschen Botschafter in Paris, Otto Abetz, in die Handlung eingebaut. Ebenso gibt es beispielsweise das Gedicht Liberté von Paul Éluard oder die historisch belegte Razzia in Paris im Jahr 1942. Dass sich in dem Plot auf so wundersame Weise fügt, dass ausgerechnet ein Journalist und eine Historikerin dazu auserwählt sind, ein Gemälde plus Besitzer ausfindig zu machen und Max, ein lieber Freund von Marie aus Kindertagen, Restaurator ist und ihr deshalb wichtige Informationen über die Provenienzforschung geben kann, die sich der Geschichte und Herkunft von Kunstgegenständen widmet, kann damit entschuldigt werden, dass der Zweck in diesem Fall die Mittel heiligt. Denn der äußerst spannende und bewegende Roman greift als wichtige Themen den Widerstand der Résistance sowie den von den Nazis in großem Maß verübten Kunstraub auf, und darüber hinaus macht die Autorin deutlich, dass über vieles, was im Dritten Reich geschehen ist, gerne der Mantel des Schweigens gehüllt wird.

Leas Spuren von Bettina Storks

Leas Spuren
Diana Verlag 2019
Klappenbroschur
464 Seiten
ISBN 978-3-453-36046-4

Bildquelle: Diana Verlag
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