Klammerblues um zwölf von Carla Berling

Klammerblues um zwölfUnmittelbar nachdem Felicitas Branding, Fee genannt, ihren Job in der Bekleidungsabteilung eines Kaufhauses gekündigt hat, um mit dem Renteneintritt ihres Mannes Teddy im Ausland zu überwintern, erkrankt Teddy plötzlich an Lungenkrebs und verstirbt kurze Zeit darauf. Durch diesen unerwarteten Schicksalsschlag fällt die siebenundfünfzigjährige Fee in ein tiefes Loch. Völlig antriebslos lungert sie mehrere Wochen ungepflegt in Jogginghose und weitem Shirt auf dem Sofa herum, schaut sich Serien im Fernsehen an und stopft sich mit Karamelleis und reichlich Essen voll. Sie ist unfähig, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen, seit dem Tod von Teddy hat sie fünfzehn Kilo zugenommen und findet nichts mehr in ihrem Kleiderschrank, das ihr noch passt.

Drei Monate hatte die Rentenversicherung noch die Rente von Teddy gezahlt, doch nun bahnt sich für Fee eine Katastrophe an, denn nun steht ihr als Witwe nur etwas mehr als die Hälfte zu. Damit kann sie die Kosten für ihre große Wohnung in der Kölner Südstadt nicht mehr finanzieren. Da kommt ihre neue Nachbarin Claudine, die in der Silvesternacht um halb zwei mit einer Flasche Champagner vor der Tür stand, wie gerufen. Die energiegeladene Sechzigjährige, die selbst vom Schicksal schwer gezeichnet wurde, steckt voller Energie und Lebensfreude. Ihr gelingt es, Fee aus ihrem Selbstmitleid zu befreien und sie hilft ihr, neuen Lebensmut zu finden. Es ist der Beginn einer unglaublichen Freundschaft, und die beiden Frauen gründen zusammen mit der zweiundsiebzigjährigen Mary, die für einen Seniorenmarathon trainiert und sehr freie Ansichten über die Liebe hat, eine Wohngemeinschaft, in der es manchmal recht turbulent zugeht.

Obwohl die drei Frauen der Wohngemeinschaft in „Klammerblues um zwölf“ von schweren Schicksalsschlägen getroffen wurden, ist es Carla Berling mit ihrem flotten Erzählstil gelungen, aus einem Plot, der durchaus auch traurige Momente aufweist, einen heiteren und sehr unterhaltsamen Roman mit Tiefgang zu machen. Die Protagonistin Fee erzählt voller Selbstironie in der Ich-Form von den Folgen, die der unerwartete Tod ihres Ehemannes für sie hatte. Durch Rückblicke wird deutlich, dass sie in der Vergangenheit ihre eigenen Träume oft untergeordnet hat, zunächst den Wünschen ihren Eltern und später den Bedürfnissen ihres Mannes und der beiden Töchtern. Erst durch die Freundschaft mit Claudine entwickelt sich das Potential, das in ihr steckt und das sie nach und nach regelrecht aufblühen lässt.

Die Musik spielt für die Protagonistin, die eine umfangreiche digitalisierte Plattensammlung auf ihrem MacBook hat, eine große Rolle. Wobei Lesern, die mit den Musiksendungen „Disco“ und „Hitparade“ aufgewachsen sind, wohl viele der erwähnten Titel geläufig sein dürften. Und genau diese ältere Generation spricht Carla Berling mit ihrem Roman „Klammerblues um zwölf“ an, denn im Grunde geht es darum, nach einem Schicksalsschlag nicht in Selbstmitleid zu versinken und den Mut aufzubringen, einen Neuanfang zu wagen. Es ist nie zu spät, neue Wege zu gehen und das Leben auch im fortgeschrittenen Alter zu genießen, lautet die Botschaft des Romans. Ein amüsantes Buch, mit aus dem Leben gegriffenen Charakteren, das dem Leser nicht nur Einblicke in den Handel mit Altkleidern und die Branche der Damenoberbekleidung gewährt, sondern ihn auch in die Welt der Rock-, Pop- und Schlagermusik entführt.

Klammerblues um zwölf von Carla Berling

Klammerblues um zwölf
Heyne Verlag 2020
Klappenbroschur
272 Seiten
ISBN 978-3-453-42412-8

Bildquelle: Heyne Verlag
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