Kafkas Puppe von Gerd Schneider

Kafkas PuppeAn einem sonnigen Tag im Oktober 1923 geht Franz Kafka im Park am Steglitzer Wasserturm in Berlin spazieren. Auf einer Bank hockt ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen, das weint, weil ihre Puppe verschwunden ist, die sie während des Spielens auf eine Bank gesetzt hatte. Sie glaubt, dass ihre Puppe von jemandem gestohlen wurde. Kafka erkundigt sich, wie die Puppe denn ausgesehen habe, und das Mädchen Lena beschreibt ihm ganz genau, wie die Stoffpuppe aussieht. Um sie zu trösten, behauptet Kafka, dass die Puppe nicht gestohlen wurde, denn er habe sie gesehen, wie sie ihm am Eingang des Parks entgegen kam und zu ihm gesagt hätte, sie wolle ihr schreiben.

Am nächsten Tag geht Kafka zur selben Uhrzeit in den Park in der Hoffnung, die kleine Lena dort zu treffen. Als sie endlich auftaucht, überreicht er ihr einen Brief, den angeblich ihre Puppe geschrieben hat. Sie erzählt darin, dass ein Hund nach ihr geschnappt hat, der sie wohl fressen wollte und sie deshalb weggelaufen ist, aber plötzlich nicht mehr wusste, wo sie war. In den darauf folgenden Tagen trifft Kafka sich fast täglich mit Lena auf einer Bank im Park, um ihr einen Brief von ihrer Puppe zu überreichen, die sich auf eine abenteuerliche Reise begeben hat.

Bei dem Roman Kafkas Puppe* handelt es sich um eine fiktive Geschichte, die Gerd Schneider mit realen Ereignissen aus der Biographie von Franz Kafka verwoben hat. So hat der Schriftsteller, damals bereits schwer an Tuberkulose erkrankt, im Jahr 1923 tatsächlich in Berlin gelebt und musste mit seiner Lebengefährtin mehrmals umziehen. Die seltsam berührende Geschichte des kleinen Mädchens, das ihre Puppe verloren hat, wurde von Kafkas Lebensgefärtin Dora Diamant erzählt. Doch konnten weder das kleine Mädchen, noch die Puppenbriefe trotz intensiver Nachforschungen jemals gefunden werden.

Gerd Schneider ist es jedoch hervorragend gelungen, aus einer märchenhaft anmutenden Geschichte einen realistisch erscheinenden Plot entstehen zu lassen, indem er die Puppenbriefe aus verschiedenen Erzählungen von Kafka geschickt konstruiert hat und im weiteren Verlauf einiges über den letzten Lebensabschnitt des Schriftstellers in die Handlung einfließen lässt. So ist der Roman Kafkas Puppe* eine Mischung aus Biographie und fiktiver Handlung, die nicht nur sehr unterhaltsam ist, sondern auch viele Informationen über den Menschen Franz Kafka zu bieten hat. Der Autor schreibt über die schwierige Beziehung Kafkas zu seinem Vater und das besonders herzliche Verhältnis zu seiner Schwester Ottla. Er berichtet über gesundheitliche Rückschläge sowie die Selbstzweifel des damals erfolglosen Schriftstellers, der einige seiner Werke selbst vernichtete und erst nach seinem Tod weltberühmt wurde.

Kafkas Puppe von Gerd Schneider

Kafkas Puppe
Arena Verlag 2018
Taschenbuch
224 Seiten
ISBN 978-3-401-51111-5

Bildquelle: Arena Verlag
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