Interview mit der Autorin Silke Ziegler

Silke Ziegler
Bildquelle: Silke Ziegler
Silke Ziegler wurde 1975 in Weinheim geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Finanzassistentin und arbeitete bis zur Geburt ihrer beiden Kinder bei diversen Kreditinstituten. Mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern, einer Tochter und einem Sohn, verbringt sie ihre Urlaube gerne an der französischen Mittelmeerküste, die sie vor einigen Jahren auch zum Schreiben inspiriert haben. Bisher hat die mit ihrer Familie in Weinheim lebende Autorin fünf Kriminalromane veröffentlicht.

Hallo und guten Tag Silke! Ich freue mich, dass du dich zu einem Interview bereit erklärt hast. Wenn ich gleich mit der Tür ins Haus fallen darf, dann lautet meine ehrliche Meinung zu deinem letzten Kriminalroman Im Angesicht der Wahrheit, dass du dich damit selbst übertroffen hast. Siehst du das selbst auch so?

    Liebe Beatrix, ich bedanke mich erstmal ganz herzlich für dein Interesse an meinen Büchern und meiner Person! Und ganz lieben Dank für das Kompliment zu meinem neusten Roman. Das rührt mich wirklich sehr.
    Zu deiner Frage kann ich nur sagen, nein, ich sehe das nicht so. Mir ist, ehrlich gesagt, auch nicht ganz klar, wie man sich selbst übertreffen kann. Ich denke, du meinst, es ist das bisher beste Buch, das ich geschrieben habe. Aber wenn ich eine Geschichte im Kopf habe, die irgendwann so stark nach draußen drängt, dass ich sie einfach niederschreiben muss, denke ich erstmal überhaupt nicht daran, ob sie besser oder schlechter als meine anderen Geschichten ist und wie sie bei einem eventuellen zukünftigen Leser ankommt. Ich schreibe meine Skripte so, wie ich die Story am liebsten selbst lesen würde. Daran orientiere ich mich. Da all meine Geschichten im selben Kopf entstanden sind, kann ich selbst ganz schlecht beurteilen, welche Geschichte „besser“ oder „schlechter“ als eine andere ist. Im Übrigen lese ich aus den Rückmeldungen, die mich erreichen, auch unterschiedliche Meinungen heraus. Von daher denke ich, ist es einfach Geschmackssache, welche Geschichte einen Leser mehr mitreißen kann als eine andere. Dass du der Meinung bist, mein aktuelles Buch sei mein bestes, freut mich natürlich sehr, da sich jeder wohl lieber steigert als abbaut. Mir persönlich jedoch liegt jedes einzelne meiner Bücher auf seine Art am Herzen. Und nach wie vor stehe ich auch hinter jeder einzelnen Geschichte. Daher kann ich hierzu keine Wertung abgeben.

Das leuchtet mir ein und es ist verständlich, dass man als Autor einen anderen Blickwinkel hat. Von den Büchern, die ich von dir kenne, ist Im Angesicht der Wahrheit in jeder Hinsicht das beste. Ohne auf die näheren Verwicklungen dieses Krimis einzugehen – schließlich wollen wir den Lesern nicht die vielen Überraschungen vorenthalten, die sie bei der Lektüre erwartet –, fühlst du dich unter Druck gesetzt oder befürchtest du, in deinem nächsten Werk noch mehr abliefern zu müssen, es noch besser machen zu müssen, wenn die Messlatte einmal so hoch gelegt ist?

    Wie gesagt, die Messlatte befindet sich für mich eigentlich schon immer in gleicher Höhe: Ich möchte eine spannende und emotionale Geschichte schreiben, die den Leser im besten Fall genauso berührt wie mich beim Schreiben. Dafür gebe ich mein Bestes. Und nein, ich fühle mich nicht unter Druck gesetzt. Wie gesagt, verschiedene Leser haben verschiedene Geschmäcker. Ich bin überzeugt davon, dass jede Geschichte ihre Zielgruppe findet. Ich muss nicht vom Schreiben leben, sondern schreibe hobbymäßig aus Spaß. Daher werde ich auch an meine nächste Geschichte ganz entspannt herangehen. Druck finde ich absolut kontraproduktiv, Schreiben um des Schreibens Willen. Ich schreibe, weil eine Geschichte in meinem Kopf erzählt werden will. Und wenn keine Story heraus möchte, schreibe ich eben nicht. Meine Leser können sich in jedem Fall sicher sein, dass ich jedes einzelne Wort, das ich zu Papier bringe, aus reiner Freude geschrieben habe und weiter schreiben werde. Und wenn es Menschen gibt, die ich mit meinen Geschichten fesseln kann, ist für mich alles gut.
    Glücklicherweise habe ich einen tollen Verlag, der mich so schreiben lässt, wie ich möchte. Ich weiß, dass dies nicht immer der Fall ist. Auch mir wurden schon Angebote unterbreitet, ich solle doch bitte dies oder jenes schreiben. Meine Storys seien keinem bestimmten Genre zuzuordnen etc. Ich bleibe bei mir. Ich schreibe das, was mir gefallen würde, und hoffe darauf, damit einigen interessierten Menschen ein paar schöne Lesestunden bereiten zu können.

Natürlich sind die Geschmäcker auch bei Büchern verschieden, was nur gut ist und auch so bleiben wird. Dass du deiner Linie treu bleibst, dich nicht von einem Verlag „kaufen“ und du dich nicht in ein Schema pressen lässt, ist lobenswert. Deine Leser werden es dir danken!
Auf Facebook hat dich jemand in einem Kommentar als würdige Nachfolgerin von Ingrid Noll bezeichnet, weil diese Autorin, auch wenn sie in Shanghai geboren wurde, heute aber auch in Weinheim lebt. ‚Das sind sehr große Worte’, lautete deine Antwort, dem ich mich auch nur anschließen kann. Denn es gibt kaum jemanden, dem zu diesem Namen nicht sofort ihr Die Apothekerin* einfällt, das mit Katja Riemann verfilmt wurde. Könnte Ingrid Noll ein Vorbild für dich sein?

    Der Schreibstil von Ingrid Noll ist völlig anders als meiner. Wenn ich Vorbilder nennen sollte, dann würde ich Autoren/Autorinnen nennen, die ebenfalls Thriller-/Krimiromanzen, also mein Genre, schreiben. Ingrid Nolls Name würde mir da eher nicht einfallen. Aber natürlich bewundere ich Frau Noll für ihr Werk. Sie schreibt einen Bestseller nach dem anderen. Für welchen Autor wäre eine solche Frau kein Vorbild? Als Nachfolgerin von Ingrid Noll sehe ich mich jedenfalls sicher nicht. Hier sprechen wir von völlig unterschiedlichen Dimensionen.

Ich danke dir für deine Einschätzung und offenen Worte, denn ich selbst konnte mich diesem Vergleich auch nicht anschließen.
Wenden wir uns mal deinem Privatleben zu: Wenn du nicht Ehefrau und Mutter bist, arbeitest du als Verwaltungsangestellte am Institut für Europäische Kunstgeschichte an der Uni Heidelberg. Diese Tätigkeit dürfte eher unspektakulär sein, vielleicht sogar eintönig, womit ich nicht langweilig meine. Brauchst du gerade deshalb einen Ausgleich und schreibst Kriminalromane?

    Ich liebe meinen Job an der Uni! Er ist alles andere als eintönig. Da ich unter Anderem viel Kontakt mit Studierenden habe, ist jeder Tag unterschiedlich. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und interessant. Und ich bin jeden Tag aufs Neue dankbar, dass man mir vor vier Jahren diese tolle Stelle angeboten hat.
    Mit dem Schreiben habe ich schon vor meiner Anstellung an der Uni angefangen, daher sehe ich zwischen meinem „Brotjob“ und dem Schreiben keine Verbindung. Natürlich kann man beides nicht miteinander vergleichen. Muss man ja aber auch nicht. Und vielleicht kann ich gerade wegen meiner Zufriedenheit im Job andererseits eben auch entspannt schreiben und an meinen Skripten arbeiten.

In diesem Punkt bist du zumindest in der glücklichen Lage, nicht vom Schreiben leben zu müssen. Da wir gerade vom Schreiben reden: Einem Artikel der Rhein-Neckar-Zeitung habe ich entnommen, dass du pro Schreibsitzung fünf Seiten aufs Papier bringst. Als Leser lege ich ein Buch in der Regel nicht nach soundso vielen selbst gesetzten Seiten aus der Hand, sondern mache es davon abhängig, wann ein Kapitel zu Ende ist, oder manchmal auch erst dann, wenn ich unbedingt wissen will, wie es weitergeht. Wie schaffst du es, quasi so mitten in einer Handlung die Arbeit zu unterbrechen? Treibt es dich da nicht auch, einen Gedanken oder ein Thema erst abzuschließen?

    Diese fünf Seiten sind Erfahrungswerte. Manchmal schreibe ich auch nur drei, an anderen Tagen mal sieben Seiten. Das hängt ganz einfach damit zusammen, dass ich keine Berufsautorin bin, sondern eben „nur“ Hobbyschriftstellerin. Ich habe zwei Kinder, einen Teilzeitjob, einen Haushalt und einen jungen Hund, der auch seinen Auslauf fordert. Mein Tag hat nur 24 Stunden, daher schaffe ich einfach nicht mehr. Am Wochenende, wenn mein Mann zuhause ist und mir den Rücken frei hält, sind es auch mal zehn Seiten, genauso wie ab und zu im Urlaub. Aber im normalen Alltag ist mehr nicht möglich, sind die fünf Seiten schon oft eine Herausforderung. Mitten in der Handlung zu unterbrechen ist für mich kein Problem, da mein Skript im Vorhinein schon komplett durchstrukturiert ist. Ich weiß also, wohin die Szene führen soll/muss und kann dann direkt dort, wo ich am Vortag aufgehört habe, wieder anknüpfen. Klar wäre es manchmal einfacher, die Szene komplett herunterzuschreiben, aber wie gesagt, ich habe auch noch ein Leben neben dem Schreiben und daher meine Art zu schreiben meinem Alltag entsprechend angepasst.

Das finde ich schon erstaunlich und bewundernswert, dass es dir scheinbar so mühelos gelingt, am nächsten Tag einfach an der Stelle weiter zu schreiben, an der du zuvor aufgehört hast. Natürlich hat ein Tag auch für dich nur 24 Stunden und da geht es einfach nicht anders, wenn noch ein Job erledigt sein will und die Familie Aufmerksamkeit einfordert.
So ganz nebenbei liest du ja auch noch die Zuschriften, die dich von deinen Lesern erreichen. In der Danksagung deines letzten Kriminalromans hast du geschrieben, dass für dich die Rückmeldungen deiner Leser neue Motivation sind. Liege ich mit meiner Vermutung richtig, dass sich überwiegend eine weibliche Leserschaft bei dir meldet? Denn deine zwar spannenden Plots sind sehr gefühlsbetont, was in erster Linie Frauen ansprechen dürfte.

    Mein Lieblingsthema, seit ein großer Verlag mir mitgeteilt hat, Männer würden keine Krimis von weiblichen Autoren lesen, daher müsste ich ein männliches Pseudonym annehmen. Der Verlag hat von mir eine Absage bekommen und ich bin Frau geblieben. Und er hat nicht recht behalten. Ich habe sehr viele männliche Leser, von denen ich positive Rückmeldungen bekomme. Es gibt mehr Männer, die sich überraschen lassen möchten, ob und wie die Protas sich bekommen oder nicht, als man denkt. Daher kann ich voller Stolz sagen, der große Verlag hat sich geirrt. Männer lesen Krimis weiblicher Autorinnen!

Es soll schon öfter vorgekommen sein, dass sich Verlage getäuscht und sogar schon Autoren abgelehnt haben, die später Bestseller veröffentlichen konnten. Ich bewundere dich für deine Standfestigkeit und dafür, dass du zu deinen Überzeugungen mit der vollen Konsequenz stehst. Ehrlich gesagt, hätte ich auch nicht gedacht, dass du so viele Männer zu deinen Lesern zählen kannst.
Noch mal eine private Frage: In deiner Danksagung war ebenfalls zu lesen, dass dein Sohn deine Bücher noch nicht lesen darf. Aus meiner eigenen Jugend weiß ich noch sehr genau, dass gerade das Verbotene eine magische Anziehungskraft ausübt und ich muss davon ausgehen, dass es bei meinen Kindern genau so war. Insofern habe ich immer hinterfragt, ob ein Verbot sinnvoll ist und das bewirken konnte, was Sinn und Zweck war. Kannst du dir in dem Punkt so sicher sein, dass dein Sohn nicht doch mal bei Freunden oder in der Bücherei in einem deiner Romane heimlich liest?

    Da ich sehr nah bei meinen Kindern bin, kann ich mir sehr sicher sein, dass sie meine Bücher nicht woanders lesen würden. Ich weiß, dass sie sie gern lesen möchten. Momentan akzeptieren sie es aber noch, wenn ich ihnen sage, die Bücher sind noch nichts für sie. Natürlich habe ich für beide jedes Buch zurückgelegt und zu gegebener Zeit bekommen sie dann die gesammelten Werke. Wenn ich für Lesungen übe, lese ich ihnen auch ab und zu kurze Abschnitte vor, die „jugendfrei“ sind. Bisher geben sie sich damit noch zufrieden.

Da hast du einen interessanten Kompromiss gewählt!
Vielen Dank, liebe Silke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Ich darf dir für deine weitere Karriere als Autorin viel Erfolg und für dein Privatleben alles Gute wünschen.

    Liebe Beatrix, ich danke dir nochmals ganz herzlich für deine Mühe und diese sehr individuellen Fragestellungen. Auch dir wünsche ich auf diesem Weg alles erdenklich Gute!

Im Angesicht der Wahrheit von Silke Ziegler

Im Angesicht der Wahrheit
Grafit Verlag 2017
Taschenbuch
507 Seiten
ISBN 978-3-89425-491-9

Bildquelle: Grafit Verlag
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