Hundert Himmel von Astrid Ruppert

Eine Erzählung über den Mut, anders zu sein!

Hundert HimmelWer sonst sprechende Tiere nur aus einer Fabel kennt, der wird mit der Erzählung „Hundert Himmel“ von Astrid Ruppert eines Besseren belehrt: Der Zilpzalp Zio wird von seinen Freunden Zack und Zett für eine nächste Flugstunde abgeholt. Doch Zio, der noch nie das Gefühl hatte, zum Schwarm dazuzugehören, möchte wie sonst viel lieber auf seinem Ast in der Buche sitzen bleiben und die schöne Frühlingswelt betrachten. Während die anderen Zilpzalpe aufbrechen, ist Zio vom Gesang eines Rotkehlchens fasziniert, da er selbst wie alle seine Artgenossen lediglich ein Zilp und Zalp zustande bringt. Deshalb übt er fleißig, bis er zunächst nur einzelne neue Töne und schließlich ein ganzes Lied zwitschern kann.

Seine Freunde haben kein Verständnis für Zios Beobachtungen, die in ihren Augen langweilig sind, und dem Schwarmältesten gefällt gar nicht, dass Zio sich nicht mit dem Gesang der Zilpzalpe zufriedengibt. Was für andere Vögel gilt, gilt nicht für die Zilpzalpe, die es nicht nötig hätten, sich mit ihrem Gesang zur Schau zu stellen. Er sollte lieber für den Flug gen Süden üben, um die „Hundert Himmel“ durchfliegen zu können. Wenn er das nicht schafft, so seine Prophezeiung, ist er verloren. Zio nimmt die Warnung wohl ernst, aber da ihm das Fliegen absolut keinen Spaß macht, bleibt er lieber weiter auf seiner Singwarte. Nachdem ihm Zack erklärt hat, dass die Übungen dem Ausweichen vor einer Bedrohung dienen, nimmt er vorübergehend am Training teil, doch ist der Vorsatz schnell wieder vergessen.

Dort, wohin es keinen Zilpzalpe außer Zio verschlägt, entdeckt dieser die schöne Zilla, die sich ein Staubbad gönnt. Prompt ist er am nächsten Tag eifersüchtig auf Zett, der Zilla mit Pirouetten beeindruckt. Obwohl Zio seinem Freund Zack bei einem Wettflug hilft und die beiden nur wegen Zack verspätet eintreffen, glaubt ihnen niemand. Der arme Zio wird nicht, wie erwartet, als Held gefeiert. Und wieder hat er Pech, als er Zilla beim Staubbaden zwar vor einem Milan retten kann, Zilla diese Begebenheit aber vor den Anderen verheimlichen will. Da sich die warmen Tage dem Ende neigen, bestimmt der Schwarmälteste Zack und Zett als Anführer für den Flug in den wärmeren Süden. Zio muss sich zum Anschluss entscheiden, wobei er wenig Chancen hat, die Strapazen des weiten Fluges zu überstehen, oder er muss völlig auf sich gestellt zurückbleiben, wohlwissend, dass noch kein Zilpzalpe das überlebt hat.

Die Erzählung „Hundert Himmel“ von Astrid Ruppert beschreibt die vier Jahreszeiten aus Sicht eines Zilpzalpe, auch Laubsänger genannt, der für seinen eintönigen Gesang bekannt ist. Zio fühlte sich noch nie in die Gemeinschaft seiner Artgenossen integriert, da er nicht wie sie Spaß am Flugtraining hat und keinen Sinn im schnellen Auffliegen oder Fallen lassen sieht. Dagegen singt er für sein Leben gerne und hat sogar für alle Jahreszeiten passende Lieder komponiert, die am Ende des Buches noch einmal zusammengestellt sind.

Unbestritten führt uns die Tierwelt das Festhalten an Traditionen am Beispiel der Lachse vor, die während der Laichwanderung in die Gewässer ihrer Geburt zurückwandern oder der Schildkröten, deren Weibchen ihre Eier am entlegenen Strand ihrer Geburt vergraben. Es ist bekannt, dass aufgrund der Klimaveränderungen immer mehr Zugvögel auf ihre beschwerliche Reise gen Süden verzichten. Warum sollten nicht auch Menschen, wie der Zilpzalp Zio aus der Erzählung, aus einem immerwährenden Kreislauf ausbrechen und etwas ganz anders, abseits aller Traditionen machen? Ist es immer richtig, wenn wir nur auf unseren Verstand hören und nicht auch einmal auf unser Gefühl, unseren Körper? Muss man sich immer so verhalten, wie es von unseren Mitmenschen, von unserer Gesellschaft, erwartet wird?

Von Anfang an ist der Leser am Fortgang der Handlung interessiert, die schon allein durch die ungewöhnlichen Protagonisten interessant ist. Er leidet mit Zio, der hin- und hergerissen ist und nicht weiß, wem er glauben kann und wie er sich entscheiden soll. In der Geschichte stehen die Vögel nur als Stellvertreter für alle Menschen, die sich ebenfalls ausgegrenzt oder irgendwie anders fühlen. Die zunehmend spannende Erzählung, die mit Illustrationen von Sarah Katharina Heuzeroth eine schöne Ergänzung findet, macht Mut, einmal über seinen Schatten zu springen, zu seinen Überzeugungen zu stehen und einfach mal anders zu sein!

Hundert Himmel von Astrid Ruppert

Hundert Himmel
Diederichs Verlag 2023
Hardcover mit Schutzumschlag
144 Seiten
ISBN 978-3-424-35123-1

Bildquelle: Diederichs Verlag
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