Gruber geht von Doris Knecht

Gruber gehtIst es nicht ein Widerspruch, den Leser bei einem traurigen Thema zum Lachen zu bringen? Doris Knecht ist mit dem Roman „Gruber geht“ dieser Spagat gelungen! John Gruber lebt in Wien als stolzer Porschebesitzer und genießt sein Leben, besonders die Frauen, in vollen Zügen. Auf einem geschäftlichen Flug nach Zürich lernt er Sarah Vogel kennen, die bei großen Unternehmen als DJ sehr gefragt ist. Als die Berlinerin einen Auftrag in Wien annimmt, begegnen sich die beiden wieder und landen nach wenigen Stunden gemeinsam im Bett. Da entdeckt Sarah einen Brief von einem Krankenhaus, den John seit Wochen nicht öffnen wollte. Seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich, als er darin liest, dass bei ihm ein Tumor entdeckt wurde.

Für John Gruber ändert sich von nun an sein Leben, denn er muss sich Chemotherapien und Bestrahlungen unterziehen. Oftmals fühlt er sich elend und kraftlos. Sarah schreibt er nur noch selten eine SMS. John entdeckt während dieser Zeit Seiten an sich, die er vorher nicht für möglich gehalten hätte. Ihm wird klar, dass er erst seit dem Zeitpunkt an seinem Leben hängt, seit er von seiner Krebserkrankung erfahren hat und dem Tod ins Auge sehen muss. Bei seiner Schwester Kathi und ihrer Familie bleibt Gruber im Gegensatz zu seinen sonstigen Gepflogenheiten gerne ein paar Tage zu Besuch. Nicht nur seiner Schwester fallen zusehends die Veränderungen auf, die seine Krankheit bei ihm bewirken. Auch er spürt, dass alles anders und „Unlogik“ seine neue Logik geworden ist.

Ein an sich ernstes und betroffen machendes Thema hat Doris Knecht hier auf geniale Weise so aufgegriffen, dass es den Leser entgegen einer Befürchtung in keinster Weise „herunterzieht“. Der mit viel trockenem Humor und Sarkasmus ausgestattete John Gruber sorgt für reichlich Heiterkeit und Frohsinn. Die ersten Seiten des Romans lassen auch noch gar nicht den Schicksalsschlag des Protagonisten vermuten, der nur ans Vögeln und Masturbieren denkt. Entweder schreibt die Autorin im Erzählstil, bei dem Gruber viel seinen Erinnerungen nachhängt, oder sie lässt Personen ihre Sichtweisen in der Ich-Form erzählen. Der Aufbau folgt nicht einer strengen Chronologie, denn es kommt immer wieder zu Rückblicken.

Doris Knecht hat in dem Roman kaum auf eine wörtliche Rede zurückgegriffen, was in der Regel wenig lebendig wirkt. Doch durch ihren unverwechselbaren Stil, der auch neue Wortkreationen beinhaltet, empfindet der Leser keinerlei Langatmigkeit und fühlt sich im Gegenteil sogar getrieben weiter zu lesen. Obwohl die Krebserkrankung natürlich allgegenwärtig und besonders die Übelkeit ein Thema ist, vermeidet die Autorin eine übersteigerte Darstellung. Ein kritischer Hinweis auf lebende Tote in der Onkologie war ihr wichtig, aber sie wollte beispielsweise dem Leser auch das Cafè Galão in Berlin vorstellen. Dort gibt es tatsächlich keine Tische und das Szene-Lokal setzt auf gemütliche Kissen, portugiesischen Kaffee und Panini. Aber auch auf die unterschiedlichen Mentalitäten der Berliner und Wiener verweist die in Wien lebende Autorin. Wer einmal Lust auf etwas Außergewöhnliches hat und sich auf verschiedene Sprachstile in einem Roman einlassen kann, bekommt mit „Gruber geht“ von Doris Knecht genau das, wonach er sucht!

Gruber geht von Doris Knecht

Gruber geht
Rowohlt Verlag 2012
Taschenbuch
240 Seiten
ISBN 978-3-499-25576-2

Bildquelle: Rowohlt Verlag
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