Adam, Nele und ein weiteres Mädchen machen sich darüber lustig, dass Erwachsene ganz Große Schisser, Schlotterbacken, Angstbeutel und Hosenscheißer sind. Beispielsweise ist Onkel Baran zwar riesengroß, aber wenn er zum Zahnarzt soll, „pinkelt“ er sich fast in die Hose. Neles Tante fürchtet sich vor Freitagen, Kaffeetassen und schwarzen Katzen, worauf sie mit lautem Herzklopfen reagiert. Den Kindern ist klar, dass ihre Eltern schon völlig grundlos um sie bangen, wenn sie nur auf Bäume klettern. Aber ihre Eltern bilden da keine Ausnahme: Ihr Nachbar brüllt schon, wenn er im Hof eine Maus sieht! Und vor dieser niedlichen Maus bringen sich plötzlich alle Erwachsenen in Sicherheit, als könnten die Mäuse sie fressen.
Adam, Nele und ihre Freundin können auch nicht verstehen, wieso man sich vor ungefährlichen Sachen wie einem Bart gruseln kann, denn im Geburtsland der Freundin tragen fast alle Männer Bärte. Erna Wuttke, eine Nachbarin der Kinder, bekommt schon „Schnappatmung“ beim Anblick eines Bartes, und obwohl die Freundin von Adam und Nele selbst schon einmal „Schiss“ vor der „Gruseloma“ hatte, stellte sich später heraus, dass das angesichts einer netten „Wuseloma“ völlig unbegründet war. Schließlich kannte Adam die Lösung, wie Angst ausgetrickst werden kann. Man muss ihr, um sie zu verlieren, einfach „auf die Pelle rücken“. Gesagt, getan: Um auch Erna Wuttke von ihrer Angst vor Bärten zu befreien, haben die Kinder eine prima Idee und verkleiden sich.
Sybille Hein lässt ihre namenlose Protagonistin im Kinderbuch Große sind Schisser* in der Ich-Form berichten. Im Ungewissen lässt die Autorin ihre Leser bezüglich des Alters der Kinder, das allenfalls Rückschlüsse durch ihre Darstellung in den Illustrationen zulässt. Die von Sybille Hein selbst gestalteten Illustrationen machen deutlich, dass es sich um drei Kinder handelt, deren Familien um einen gemeinsamen Innenhof herum wohnen. Gelangweilt hängen sie in einer auf dem Hof ausrangierten und abgestellten Wanne herum und sinnieren über die in ihren Augen lächerlichen Ängste der Erwachsenen.
Die Angst eines Erwachsenen vor dem Besuch eines Zahnarztes kann kaum bildhafter dargestellt werden: Onkel Baran hat Sybille Hein sitzend in einem Schrank illustriert, dem die Angst förmlich ins Gesicht geschrieben steht, als er von seiner Mutter zur zahnärztlichen Praxis geschleift wird. Tatsächlich werden sich einige Erwachsene, die das Kinderbuch mit ihren Lieben anschauen, bei der Kletterszene an die eigene Nase fassen und zustimmen, dass sie nicht selten bei einer Kletteraktion auf dem Spielplatz die Luft vor Sorge, das Kind könnte herunterfallen, angehalten haben.
Junge Leser könnten durchaus die Idee der drei Protagonisten aufgreifen, deren Lieblingsspiel „Füße raten“ ist: Adam, Nele und ihre Freundin liegen dabei unter einer Bank und können nur die Füße der Umhergehenden sehen, die es zu erraten gilt. Damit hat die Autorin einmal mehr aufgezeigt, dass Kinder nicht unbedingt teures Spielzeug zum Zeitvertreib brauchen. Sie entwickeln besonders im Zusammenspiel mit Gleichaltrigen unbegrenzte Fantasien, was ihrer geistigen Förderung durchaus antreibt. Die überaus witzigen und gut strukturierten Illustrationen, die jedes Detail überspitzt darstellen, lassen jedes Kinderherz ab einem Alter von vier Jahren höherschlagen. Eine wichtige Kernaussage des lustigen Kinderbuches Große sind Schisser* ist die Umkehrung, dass hier Kinder diejenigen sind, die den Erwachsenen „hin und wieder ein bisschen Mut in ihre Köpfe und Bäuche schnipsen“. Indem das einfach als Tatsache manifestiert wird, sollte das Selbstwertgefühl der kleinen Leser dadurch gehoben und ihnen somit einen Teil ihrer Ängste genommen werden.
Große sind Schisser von Sybille Hein
Carl Hanser Verlag 2025
Hardcover
48 Seiten
ISBN 978-3-446-28261-2