Auf Polizeireporterin Maria Grappa, die für das Bierstädter Tageblatt schreibt, wartet eine neue Aufgabe: Aus dem Phoenix-See hat man die Leiche von Marina Schrott geborgen, die Betreiberin mehrerer Hundesalons war. Laut Obduktion ist sie ertrunken. Doch nicht im See, sondern in einem für Hunde vorgesehenen Waschbecken. Die Tote hinterlässt eine schwer behinderte Tochter, die einundzwanzigjährige Venus.
Grappa und der Fotograf Wayne Pöppelbaum wollen zunächst Jakobus Hiller, den Lebensgefährten von Marina Schrott, ausfindig machen, der allerdings ein Alibi für die Tatzeit hat. Sie sprechen mit Doreen, die viele Jahre als Mitarbeiterin in den Salons gearbeitet hat und der etwas aufgefallen sein könnte. Aber dann macht Grappa ein Vers stutzig, den die behinderte Venus aufsagt. Alarmiert will die Reporterin zu deren früheren Krankenschwester Kontakt aufnehmen. Unterstützung erhält sie dabei von ihrem zeitweiligen Lebensgefährten Friedemann Kleist, der als Kriminologieprofessor über wertvolle Kontakte verfügt. Die Recherchen führen Grappa zu einer äußerst verwickelten Familiengeschichte und einem dunklen Geheimnis.
„Grappa und die Venusfalle“ ist bereits der siebenundzwanzigste Kriminalroman von Gabriella Wollenhaupt, in dem Grappa aktiv wird, die um keine Ausrede verlegen ist und der jedes Mittel recht ist, um an Informationen zu kommen. Die Protagonistin hält sich nicht mit unnötigen Nebensächlichkeiten auf, kommt immer sofort zur Sache und verfolgt ihre Ziele ohne Umwege. Auf Gewaltszenen verzichtet die Autorin, die mehr Wert auf interessante Informationen für ihre Leser legt. So thematisiert sie in diesem Fall das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, hinter dem sich eine Störung verbirgt, bei der nicht selten sogar ein Elternteil beim eigenen Kind durch beispielsweise Verabreichung giftiger Substanzen oder auf andere grausame Weise eine künstlich hervorgerufene Krankheit provoziert. Die Opfer werden über Jahre gequält, um sie später als Krüppel aufopferungsvoll pflegen zu können, sofern sie nicht an den Folgen sterben.
Gabriella Wollenhaupt schreibt auch vom Schicksal Behinderter in anderen Kulturen oder früheren Jahrhunderten sowie von ehemaligen Heimkindern und erinnert an die Opfer durch Pädophile, unter denen sich in der Vergangenheit häufig katholische Würdenträger befunden haben. Aktuell ist auch ihre Erwähnung der Inklusion, des Darknets, von Plastikmüll oder Erdogans Politik, wobei sie ihrem flotten und zuweilen bissigen Stil treu bleibt. Wie die Protagonistin, so recherchiert auch die Autorin sogar Details wie das im ätherischen Öl der Muskatnuss enthaltene und nicht unbedenkliche Myristicin.
Der Kriminalroman „Grappa und die Venusfalle“ ist in Bierstadt angesiedelt, einem zwar fiktiven Ort, der jedoch zur nahe gelegenen und erwähnten Hörder Burg, dem Phoenix-See und der in dem See aufgestellten Thomasbirne, einem Industriedenkmal, eine Affinität zu einer Stadt im Ruhrgebiet aufweist. Das Buch ist ein Beweis dafür, dass es auch ohne grausame Szenen spannend und interessant sein kann, und der Leser darf sich, so viel hat Gabriella Wollenhaupt auf der letzten Seite schon verraten, auf eine Fortsetzung der Reihe um die taffe Grappa freuen.
Grappa und die Venusfalle von Gabriella Wollenhaupt
Grafit Verlag 2017
Taschenbuch
218 Seiten
ISBN 978-3-89425-487-2