Gelateria Paradiso von Stefanie Gerstenberger

Gelateria ParadisoFlugbegleiterin Francesca Adler ist seit über fünfundzwanzig Jahren mit dem Onkologieprofessor Tim verheiratet. Da sie für jeglichen Luxus wie teure Autos, Kleidung und Kosmetik ein Faible hat, musste sie ihr Konto überziehen und sieht sich genötigt, die von ihren Eltern gegründete „Gelateria Paradiso“ aufzulösen. Die als Tischlerin arbeitende Susanne Werner hört von dieser Ladenauflösung. Als Francesca sie erblickt, kommt ihr die Frau irgendwie bekannt vor. Aber erst, als der fünfunddreißigjährige, minderbegabte Lennart, den Susanne mitgebracht hat, zufällig ein Foto entdeckt, das den Vater von Francesca zeigt, wird dieser bewusst, wem Susanne ähnlich sieht und was das bedeutet: Sollte ihr Vater eine Geliebte gehabt und mit ihr eine Tochter gezeugt haben, müsste sie mit einer Schwester teilen.

Susanne, die ihre leiblichen Eltern nicht kennt, geht es weniger um eine mögliche Erbschaft, als darum, ihren auf dem Foto entdeckten Vater kennenzulernen. Von dem Ehepaar, das sie adoptiert hat, ist ihr nie Liebe entgegengebracht worden, weshalb sie ihnen bereits im Alter von achtzehn Jahren den Rücken gekehrt hat. Da Francesca ihr gegenüber jegliche Auskunft verweigert, stellt Susanne eigene Nachforschungen an und findet heraus, dass Luciano Paradiso in Bassano del Grappa lebt. Zusammen mit Lennart macht sie sich auf den Weg nach Venetien. Francesca, die fürchtet, um ihr Erbe gebracht zu werden, erfährt von ihrem ehemaligen in Venetien lebenden Freund Dario, dass ihr Vater sehr krank ist, weshalb auch sie schnellstmöglich zu ihren Eltern Luciano und Tiziana will, zu denen sie vor über fünfundzwanzig Jahren jeglichen Kontakt abgebrochen hat. Weder wissen diese von ihrer Ehe und Tochter Emilia, noch weiß Francescas Ehemann von ihrer Vergangenheit oder davon, dass ihre Eltern noch leben.

Im Wechsel erzählt Stefanie Gerstenberger von den Lebensläufen der beiden Schwestern: Susanne hat ihr ganzes Leben darunter gelitten, für ihre Adoptiveltern immer nur die mit den „schwatten“ Haaren gewesen zu sein und nichts über ihre wahre Identität zu wissen. Aber auch Francesca hat keine glückliche Kindheit gehabt, denn die ersten Jahre ist sie fern von ihren Eltern in Venetien aufgewachsen und später musste sie ihren Eltern in der „Gelateria Paradiso“ helfen, wenn ihre Freunde zum Baden oder ins Kino gingen.

In Rückblicken schreibt die Autorin von Luciano, der sich in jungen Jahren mit seinem Bruder Renzo für ein Leben in Deutschland entscheidet. Doch die Arbeit in einer Ziegelei, schlechtes Essen und unzureichende Wohnverhältnisse stellen ihn nicht zufrieden. Während eines Heimaturlaubs überredet ihn Tiziana, eine Eisdiele zu eröffnen, wozu er allerdings auf ihre finanzielle Unterstützung angewiesen ist. Luciano muss sich zwischen Geld und Liebe entscheiden, denn für die unscheinbare Tiziana schlägt sein Herz nicht, sondern vielmehr für Monika, die er in einer Bücherei kennengelernt hat und die ihm Deutschkenntnisse vermittelt.

Eine Aufwertung und Belebung erhält der Roman durch Lennart, der ein besonderes Gespür besitzt und ein wandelnder Lügendetektor ist. Stefanie Gerstenberger weist auf Veränderungen hin, die von den Gastarbeitern in unser Land getragen wurden. Offensichtlich haben wir ihnen zu verdanken, dass es in den Geschäften nicht nur Sonnenblumenöl, sondern vor allem auch Olivenöl gibt und dass Knoblauch „salonfähig“ wurde. Denn die ersten aus Italien angereisten Gastarbeiter wurden als „Spaghettifresser“ und „Itaker“ beschimpft, und über ihre nach Knoblauch riechenden Ausdünstungen hagelte es Beschwerden.

Die Autorin weckt das Interesse des Lesers am Fortgang der Handlung von der ersten Seite an und bis zum Schluss macht sie ihn neugierig auf den Ausgang der lesenswerten Geschichte, wobei sie kritische Randbemerkungen wie die Vertreibung aus Schlesien oder die Ermordung der Juden sowie Wissenswertes über den Beruf der Flugbegleiter einfließen lässt, die den Begriff „Stand-by“ nicht nur mit der Bereitschaft eines technischen Geräts verbinden.

Gelateria Paradiso von Stefanie Gerstenberger

Gelateria Paradiso
Diana Verlag 2019
Klappenbroschur
448 Seiten
ISBN 978-3-453-29217-8

Bildquelle: Diana Verlag
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