Die Glücksschneiderin von Ulrike Sosnitza

Die GlücksschneiderinMit dreißig Jahren konnte Clara sich endlich ihren Traum erfüllen und mit ihrer Tante Sonja ein Nähcafé im Studentenviertel von Würzburg eröffnen: Während Sonja das Café leitet, bietet Clara als Schneidermeisterin Nähkurse, wie auch von ihr angefertigte Unikate zum Kauf an. Das Besondere an ihrem Konzept ist, neue Teile aus ausrangierter Kleidung zu nähen. Für die Realisierung ihres Traumes haben sich die Frauen verschuldet, doch finden nur wenige Kunden zu ihnen. Das ändert sich jedoch, als Clara auf dem Flohmarkt ein altes Kleid aus Seide mit echten Glasperlen und Pailletten ergattert, was im Schaufenster zum Blickfang wird und Kunden anlockt.

Finn, Claras erste große Liebe, von dem sie vor fünf Jahren verlassen wurde, war seitdem mit Diana liiert. Als diese sich von ihm trennt, stellt sie eine Tüte mit Kleidungsstücken vor die Tür der Caritas, ohne zu ahnen, dass es sich bei einem darin befindlichen Kleid um ein Erbstück seiner Urgroßmutter Mimi handelt, das letztlich auf dem Flohmarkt angeboten wird. Finn, der das Kleid sucht und wiederhaben will, erhält schließlich einen Hinweis auf das Nähcafé und ist überrascht, dort auf seine ehemalige Geliebte Clara zu treffen.

Für beide ist das Wiedersehen schon schwer genug, reißt es doch alte Wunden wieder auf. Doch als freier Journalist soll Finn einen Artikel über die Nachteile der als Massenware produzierten Kleidungsstücke und im Gegensatz dazu über die Vorteile ihrer Wiederverwertung schreiben, so dass weitere Treffen unausweichlich sind. Aus Angst, dass Finn ihr erneut das Herz brechen könnte, will Clara ihre neu aufkommenden Gefühle für ihn nicht zulassen. Seine Einladung zum Essen schlägt sie aus, nichts ahnend, was ihn seinerzeit zur Trennung getrieben hat.

Ulrike Sosnitza lässt in ihrem Roman „Die Glücksschneiderin“ Clara und Finn im Wechsel in der Ich-Form berichten. Gleich zu Beginn fällt Kommissar Zufall eine Rolle zu und führt das ehemalige Paar Clara und Finn durch das auf einem Flohmarkt angebotene Kleid wieder zusammen. Allerdings macht es die Autorin den Protagonisten nicht leicht: Einerseits sehnt sich Clara nach Nähe und Berührungen, weist andererseits jedoch jegliches Verlangen von sich, während Finn sich bei ihr für etwaiges Näherkommen entschuldigt und glaubt, alles falsch zu machen.

Zu den Handlungsorten Würzburg und Kulmbach hat Ulrike Sosnitza umfangreiche lokale Stätten und Einrichtungen erwähnt, wie beispielsweise das Juliusspital, eine zur Kunstgalerie umgebaute mittelalterliche Kirche oder die Mozartfestspiele, die in diesem Jahr mit Deutschlands ältestem Mozartfest das hundertjährige Jubiläum feiern. Nicht unerwähnt lässt sie die fast völlige Zerstörung der Altstadt durch die Alliierten am 16. März 1945. Kritik übt die Autorin an den einer „Steinwüste“ ähnelnden und immer mehr in Mode kommenden Kiesgärten sowie an dem Konzept Fast Fashion, bei dem überwiegend minderwertige Stoffe mit verheerenden ökologischen Konsequenzen – allein schon durch den enormen Wasser- und CO₂-Verbrauch – zum Einsatz kommen. Ganz zu schweigen von den unmenschlichen und teils lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken. Ein Skandal, dass Millionen Tonnen Altkleider auf dem Müll landen! Demgegenüber stellt sie das Upcycling vor, auf das sie durch den Klimawandel aufmerksam wurde und das mittlerweile in Nähcafés Zuspruch findet. Ihr Roman „Die Glücksschneiderin“ ist ohne Zweifel eine Romanze, der die Herzen vieler Frauen höherschlagen lässt. Allerdings darf er nicht auf das triviale Niveau einer Liebesschnulze reduziert werden, da der fünf Jahre zurückliegenden Trennung von Finn und Clara ein ernstes Thema zugrunde liegt.

Die Glücksschneiderin von Ulrike Sosnitza

Die Glücksschneiderin
Heyne Verlag 2021
Klappenbroschur
384 Seiten
ISBN 978-3-453-42489-0

Bildquelle: Heyne Verlag
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