Der Ministerpräsident von Joachim Zelter

Der MinisterpräsidentEr hatte einen Autounfall und lag zehn Tage im Koma. Als er in einer Klinik im Schwarzwald erwacht, zeigt er die Symptome einer systematisierten Amnesie. Er erfährt, dass er Claus Urspring, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg ist. Seine Frau ist ihm fremd und er erinnert sich weder an den Namen seiner Partei, noch weiß er, was ein Ministerpräsident eigentlich tut. Er hat gravierende Erinnerungslücken und mit Hilfe der behandelnden Ärztin versucht er sich zu erinnern. Eine Behandlung, die nicht nur Wochen, sondern Monate dauern kann. Da er gesundheitlich nicht in der Lage ist, das Amt eines Ministerpräsidenten zu bekleiden, rät ihm die Ärztin, zurückzutreten.

Doch sein politischer Berater Julius März möchte ihn schnell wieder fit machen für den bevorstehenden Wahlkampf. Urspring muss die Namen der Minister, Verwaltungsvorschriften sowie Besonderheiten der Ministerialbürokratie erst wieder lernen und März hört ihn ab. Doch all das ermüdet Urspring, denn er interessiert sich nicht mehr für Politik. In zahlreichen Telefonaten mit der Partei beteuert März, er ist wieder ganz der Alte. Er weiß, dass er Ministerpräsident ist, und er will es auch bleiben.

Um für eine Rundfunkansprache einige Aufzeichnungen zu machen, engagiert März die Tontechnikerin Hannah. Eine Redenschneiderin, die aus einzelnen Worten und Phrasen perfekte Reden zusammensetzt, zu denen Urspring nur die Lippen bewegen und gestikulieren muss. Bei ersten Aufnahmen stellt Hannah fest, dass Urspring seinen schwäbischen Dialekt verloren hat, er spricht fast akzentfreies Hochdeutsch und auch sein Englisch hat sich deutlich verbessert. Für März ist das eine Katastrophe, denn die Öffentlichkeit erwartet das Schwäbische, das einen Teil der Persönlichkeit des Ministerpräsidenten ausmacht. Außerdem hinkt Urspring, doch ein Ministerpräsident muss energisch vorankommen. So entsteht die Idee, seine Auftritte bei Wahlveranstaltungen mit dem Fahrrad zu inszenieren und als ökologischen Umweltgedanken, gegen zu hohe CO²-Emissionen, zu propagieren…

Joachim Zelters Roman „Der Ministerpräsident“ ist eine brillante politische Satire, eine Anklage an eine unpolitische Gesellschaft, in der Politiker den Schein inszenieren. Obwohl sich die Handlung an der Grenze zum Absurden bewegt, wirkt die Geschichte authentisch. Nicht zuletzt durch Anspielungen auf reale Politiker wie Althaus oder Oettinger. Das Buch ist ein politischer Roman, doch schildert er auch das Schicksal eines Menschen, der durch einen Unfall die eigene Identität verliert und mit dem Intellekt eines Kindes eine neue Sichtweise erlangt. Durch sehr kurze und rhythmische Sätze erzeugt Zelter eine temporeiche Sprache, die den Leser durch die Geschichte trägt und dieses Buch auszeichnet.

Der Ministerpräsident von Joachim Zelter

Der Ministerpräsident
Klöpfer & Meyer Verlag 2010
Hardcover mit Schutzumschlag
188 Seiten
ISBN 978-3-940-08683-9

Bildquelle: Klöpfer & Meyer Verlag
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