Der letzte Auftrag von Titus Müller

Der letzte AuftragNach der Flucht in den Westen von Ria Nachtmann vor sechzehn Jahren hat die ehemalige Leistungsturnerin und Krankenschwester Annie Temme ihre Mutter nicht mehr gesehen. Mit Michael, ihrem Freund aus vergangenen Tagen, der mittlerweile mit Franziska liiert ist, gehört sie zum Friedenskreis, der sich zur Aufgabe gemacht hat, die Auszählung der Stimmen zur Kommunalwahl in der DDR im Jahr 1989 zu verfolgen. Sämtliche Wahlbeobachter konstatieren Wahlbetrug und wollen nicht weiter von der Regierung belogen werden. Ein Schreiben an den Generalstaatsanwalt bleibt wirkungslos, und trotz Warnung sind Annie und Michael entschlossen, ihren Kampf fortzusetzen.

In einem Telefonat bittet Annie ihre Mutter in verschlüsselter Form um Hilfe. Die Zustände im Land müssten unbedingt der westlichen Welt vor Augen geführt werden. Um Beweise für die Missstände liefern zu können, bräuchte Michael, der als Dokumentarfilmer mit einem Berufsverbot belegt wurde, eine entsprechende Kamera. Jens Fichtner, mit dem Ria zusammenlebt, ist zur riskanten Übergabe bereit, da Ria sofort verhaftet würde. Was Annie allerdings nicht ahnt: Torsten Breuer und Ingo Beckmeier observieren sie bereits und geben Bericht darüber ab, wohin sie geht und mit wem sie sich trifft. Vor ihrem Wohnhaus fällt den beiden Stasimitarbeitern ein Mann auf, der entweder etwas gebracht oder geholt haben muss.

Der vom KGB zum Oberstleutnant beförderte Sascha teilt sich mit Wladimir Putin ein Zimmer und hat aus Neugier dessen Stahlschrank geöffnet, was Putin allerdings nicht verborgen bleibt. Plötzlich wird Sascha vom Jäger zum Gejagten. Zufällig entdeckt Putin während einer Unterhaltung mit Timtschenko und Warnig, dass er dabei von einem Mann aus einem Bus heraus gefilmt wird. Putin ermittelt, dass es sich bei dem Filmer mit einer in der DDR nicht zu erhaltenen Handycam um Michael handelt, der offenbar mit der Tochter der ehemaligen Spionin Ria Nachtmann zusammen agiert. Das Band mit den Aufnahmen darf auf keinen Fall in den Westen gelangen. Putin macht Sascha über einen Mittelsmann ausfindig und verspricht ihm sein Leben, wenn er ihm dafür Annie und Michael ausliefert, die er nach Berlin verfolgen soll.

„Der letzte Auftrag“ ist bereits der dritte Band der großen Spionin-Trilogie von Titus Müller, der die Ereignisse der letzten Monate vor dem Mauerfall am 9. November 1989 dokumentiert. Der Plot erzählt vom Aufstieg Erich Honeckers und seinem Leben wie auch dem von Wladimir Putin und seinen engsten Vertrauten, dem ehemaligen Stasi-Spion Matthias Warnig sowie Oligarchen Gennadi Nikolajewitsch Timtschenko, dessen milliardenschweres Vermögen im Zuge des Krieges gegen die Ukraine eingefroren wurde. In diesem Zusammenhang finden sich in einem Nachtrag noch weitergehende Informationen und für seine Recherchen führt der Autor im Anschluss nicht weniger als über fünfzig Bücher und Quellen auf.

Titus Müller hat selbst bei nur kurz erwähnten Dingen wie dem Aufputschmittel Mesocarb Wert auf eine detaillierte Wiedergabe gelegt. In dem Fall hat Sascha mit einem Killer um sein Leben gekämpft, der offensichtlich das Aufputschmittel genommen hat, das der den westlichen Geheimdiensten bis in die 1980er Jahre weitgehend unbekannten russischen Spezialeinheit GRU Speznas in einer Gefahrensituation körperliche Höchstleistung abverlangte. Einem schier unglaublichen Thema hat sich der Autor über die als Krankenschwester beschäftigte Annie gewidmet: Tatsächlich war es in der DDR über viele Jahre üblich, Frühgeburten unter 1000 Gramm zu töten, da diese lediglich als Aborte galten und so die Statistik über die Säuglingssterblichkeit in ein besseres Licht gerückt haben.

Im Nachtrag seines höchst spannenden und für die Geschichtsschreibung wichtigen Romans schreibt Titus Müller auch, dass die im Auftrag von Roland Jahn von Aram Radomski und Siegbert Schefke am 9. Oktober 1989 gemachten Aufnahmen in Leipzig, die den Widerstand in der DDR belegt haben, einen Tag später in den ARD-Tagesthemen ausgestrahlt werden konnten. Mit einzigartigen Umschreibungen vergleicht der Autor beispielsweise im Fall des sich verstoßen fühlenden Sascha dessen Gefühlswelt mit einem Bienenvolk. Seine Leser vermag er von Anfang bis Ende an den Plot zu fesseln, der reale Ereignisse mit dem Geschehen fiktiver Handlungspersonen verbindet, die um ihr Leben fürchten müssen.

Der letzte Auftrag von Titus Müller

Der letzte Auftrag
Heyne Verlag 2023
Klappenbroschur
400 Seiten
ISBN 978-3-453-44127-9

Bildquelle: Heyne Verlag


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