Der Hochstapler von David Slattery

Der HochstaplerDer Protagonist des Romans „Der Hochstapler“ von David Slattery will sich bei den Zimmernachbarn in einem Hotel über die laute Discomusik beschweren. Unvermittelt findet er sich selbst inmitten einer Party wieder und macht die Bekanntschaft des Professors Rik Wallace, der am CAT-College erwartet wird. Der Professor besteht darauf geschlagen zu werden. Doch der Schlag lässt ihn über die Balkonbrüstung kippen und in die Tiefe stürzen. Der Protagonist tauscht sämtliche Papiere sowie den Zimmerschlüssel aus und nimmt die Identität von Rik Wallace an. Auf dem Weg zu seinem „neuen“ Zimmer folgt ihm Della, die er bereits auf der Party kennengelernt hat, und legt sich nackt auf sein Bett. Kurze Zeit später klopfen Detective Inspector Jackson und sein Kollege Freddy Sullivan an die Zimmertür.

Entschlossen tritt Rik Wallace seine neue Stelle als Moralphilosoph am College an, wo er als erstes dem Pförtner Jim begegnet, der ihm den Weg zu der Sekretärin Pandora erklärt. Nachdem Rik die Präsidentin Patricia, Hochwürden Professor Stephen Lambe und die „herausragendste Doktorandin“ Julie Progress kennengelernt hat, hängt sich diese direkt an seine Fersen und zieht zu ihm. Pförtner Jim hält den neuen Moralphilosophen für einen „komischen Vogel“, weshalb er seine Ehefrau Rose bittet, ihn „im Auge zu behalten“. Als Rik bei einer seiner Reden im Publikum eine Frau erkennt, die einem Foto nach seine Mutter sein soll, sieht er Probleme auf sich zukommen.

David Slattery hat seinem Protagonisten keinen Namen gegeben und nennt ihn nur „unser Held“. Der verstrickt sich von Anfang an in Widersprüche, weil der echte Professor sich für Veganismus engagierte, er jedoch Fleisch bestellt hat. Auch erfährt er zu spät, dass er gegen Alkohol und Tabak sein sollte, obwohl er beidem gern und reichlich zuspricht. Über sein tatsächliches Berufsleben erfährt der Leser nichts und er fragt sich während des weiteren Handlungsverlaufs, wer dieser Hochstapler eigentlich ist, warum ihn niemand als vermisst meldet und wann seine „geklaute Identität“ auffliegt.

Die Handlungspersonen sind allesamt mehr oder weniger verrückt. Der Direktor der philosophischen Fakultät hat diesen Posten bekommen, weil er „ein weise aussehender Narr war“. Andauernd muss er zu seiner Tochter, die vermutlich nur in seiner Einbildung existiert. Hochwürden Lambe hält er für einen „Tölpel“, der wiederum die Moralphilosophie für einen „Haufen Pisskram“. Für Pförtner Jim ist das College ein Irrenhaus, was es tatsächlich früher gewesen sein soll, nur dass inzwischen „eine Sorte von Irren gegen eine andere ausgetauscht“ wurde. Auf dem College mussten die Studierenden nichts von dem Philosophen Immanuel Kant lesen, weil seine Texte zu schwierig wären. Das wollte man ihnen nicht zumuten. Und als die Beurteilung eines Vortrages anstand, von dem man „keine Ahnung“ hatte, hielt man den Vortragenden gerade deshalb für ein Genie!

Der herrlich schräge Roman „Der Hochstapler“ ist auf eine intelligente und geniale Weise total verrückt. Es ist schon Satire, wenn sich die Beamten als „Idioten“ beschimpfen lassen und sich während einer Ermittlung mit den Verdachtspersonen über so nebensächliche Dinge wie ihre Frisur unterhalten. David Slattery kommt sofort zum Thema und verführt den Leser zum Schmunzeln. In der Folge finden immer wieder philosophische Inhalte wie Zenons Paradoxien Eingang in den Plot, die gewiss die Herzen aller Philosophen höherschlagen lassen. Das College erfährt im weiteren Verlauf eine völlige Umstrukturierung, der einige Personen auf verschiedene Weise zum Opfer fallen, so dass die beiden Detective immer wieder dort auftauchen. David Slattery, der selbst an zahlreichen Universitäten unterrichtete, hat wohl mit Bedacht keinen Handlungsort genannt: Er weiß, wovon er spricht, da sein Werk auf eigenen Erfahrungen mit dem Universitätsleben basiert. Das gibt zu denken!

Der Hochstapler von David Slattery

Der Hochstapler
Übersetzung von Gabriele Haefs
btb Verlag 2019
Taschenbuch
445 Seiten
ISBN 978-3-442-71817-7

Bildquelle: btb Verlag
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