Der Fund von Bernhard Aichner

Der FundRita Dalek ist Verkäuferin in einem Supermarkt. Im Lager soll sie Kisten aus Kolumbien auspacken und glaubt ihren Augen nicht zu trauen, als sie in einer der Kisten, versteckt unter den Bananen, Pakete mit Kokain entdeckt. Die Dreiundfünfzigjährige wägt ab, ob sie den Fund der Polizei melden, oder mit dem Erlös ein neues Leben beginnen soll. In Gedanken blickt sie auf zwei Jahrzehnte zurück, zu Manfred, den sie geliebt und geheiratet hat. Doch nachdem der geliebte Sohn, keine zehn Jahre alt, durch einen Unfall verstarb, ist ihr Mann zu einem Säufer und Spieler geworden. Sie selbst litt an Depressionen, hat ihren Beruf als Krankenschwester aufgegeben und arbeitete achtzehn Jahre in einem Supermarkt. Nebenbei hat sie noch als Putzfrau Geld für die Miete verdienen müssen. Rita entscheidet sich für ihren Traum von einem besseren Leben und will sich von ihrem Mann trennen.

Bernhard Aichner verrät dem Leser in seinem Thriller „Der Fund“ bereits auf der ersten Seite, dass seine Protagonistin in wenigen Tagen zur Mörderin und ihr eigenes Leben ein jähes Ende finden wird. Direkt im Anschluss an die ersten Sätze wird in einem neuen Kapitel ihre ehemalige Freundin und Nachbarin von einer unbenannten Person vernommen. Schnell kristallisiert sich heraus, dass es sich dabei um einen ermittelnden Kriminalbeamten handelt. Im weiteren Verlauf des Plots unterzieht er weitere Personen einem Verhör: Er führt unter anderem Gespräche mit Ritas Ehemann Manfred Dalek sowie seiner Mutter, mit Kamal Arun, dem ehemaligen Chef von Rita und dem Milliardär Ferdi Bachmair, in dessen Haus sie geputzt hat. Der Ermittler stattet ihrem Zahnarzt einen Besuch ab, der anhand von Zahnteilen die Brandleiche identifizieren konnte, und er befragt die todkranke Gerda Danner, eine ehemalige Richterin und Nachbarin von Rita.

Die eigentliche Handlung, die keinen chronologischen Verlauf hat, wechselt sich mit Dialogen ab, die sich auf Fragen und Antworten beschränken und völlig auf die übliche Einleitung einer wörtlichen Rede verzichten. In Ermangelung eines Ermittlerkollegen gibt es auch keinen Gedankenaustausch oder eine Ergebnisanalyse im Kommissariat. Bernhard Aichner präsentiert dem Leser das Geschehen in Puzzleteilen, die er sich zu einem Ganzen zusammenfügen muss. Erst im weiteren Verlauf wird ein Muster erkennbar, bei dem in einem Verhör etwas Erwähnung findet, was zu einem späteren Zeitpunkt im Erzählstil aus anderer Perspektive beleuchtet wird.

Dem Leser fällt es von der ersten Seite an schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Und das nicht etwa, weil spannende Details enthüllt werden, sondern ihn vielmehr die unaufdringliche Art und Herangehensweise des bis zum Schluss namenlos bleibenden Ermittlers zum Weiterlesen drängt. Der Thriller verzichtet auf spektakuläre Verfolgungsjagden und gleichwohl auf Szenen, bei denen sich die Nackenhaare empfindlicher Menschen aufrichten. Dafür versteht es der Autor, als stilistisches Mittel zur Unterstreichung der Dramatik kurze Sätze folgen zu lassen, die häufig nur aus zwei oder drei Worten bestehen. Ein bemerkenswert ungewöhnlicher Thriller, der am Ende noch mit einer Überraschung aufwartet!

Der Fund von Bernhard Aichner

Der Fund
btb Verlag 2019
Hardcover mit Schutzumschlag
352 Seiten
ISBN 978-3-442-75783-1

Bildquelle: btb Verlag
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