Der Admiral von Henning Christiansen

Der AdmiralWelcher Mensch hat keine Laster oder Schwächen? Doch die Frage ist, ob er sich dessen auch bewusst ist? Die von Henning Christiansen erschaffene Figur eines Admirals in seiner gleichnamigen Cartoon-Erzählung „Der Admiral“ steht für jeden von uns, da sich jeder mit der ein oder anderen Schwäche seines Admirals identifizieren kann. Sein Protagonist durchlebt in den sich reimenden Versen zunächst eine Verleugnung, die im Zorn mündet. Dieser wird abgelöst durch die Bereitschaft zum Verhandeln, die wiederum einer Depression Platz macht. Schließlich endet das Ganze im Kapitel Zustimmung.

Kaum ein Mensch wird von sich behaupten können, dass er das Gefühl, der restlichen Welt „schnurzpiepegal“ zu sein, nicht kennt. Um das zu kompensieren, greift der von allem Enttäuschte zu schmückenden Beigaben, im Fall des Admirals ist das, wie die entsprechende Karikatur von Henning Christiansen zeigt, ein Künstlerschal. Bei den im Karneval nach Vergnügen Suchenden befindet sich der Admiral auch wieder in guter Gesellschaft, begeben sich doch Zigtausende jedes Jahr in den Trubel der karnevalistischen Hochburgen.

Es gehört nicht viel Mut dazu, sich an Schwächeren zu vergreifen. Wenn auch nicht alle Erwachsene Kinder schlagen, wie es der Admiral in einer Karikatur voller Inbrunst tut, so steht das Bild doch für die viel zu gängige Unterdrückung eines Schwächeren durch einen Mächtigeren. Manch ein Betrachter erkennt sich womöglich voller Abscheu in der Figur wieder, auf eine ihm hilflos ausgelieferte Person zu dreschen, und sei es auch nur mit subtileren Mitteln.

Auf einer der Karikaturen posiert der Admiral selbstgefällig vor dem Spiegel, in dem er einen Muskelprotz dank der Einnahme von Hormonen erblickt. Auch hier dürfte der Protagonist eine breite Masse repräsentieren, die sich regelmäßig mit Proteinpulvern versorgt. Ob offen ausgelebte Sexualität oder verklemmte Heuchelei: Die durch die Nachrichten bekannt gewordenen Sexualdelikte zeugen von der Auslebung perverser Triebe, die der Autor mit eigenen Zeichnungen zu der Anleitung „11 bekanntesten Stellungen bei der Selbstbefriedigung des Mannes“ des im Jahr 2005 verstorbenen Cartoonisten und Karikaturisten Friedrich Karl Waechter verdeutlicht.

Eine weitere Anlehnung ist in der Karikatur dargestellt, in der „Der Admiral“ seine eigene Geschichte in eine Schreibmaschine tippt. Henning Christiansen erinnert mit diesen ersten getippten Worten eines Schlüsselromans, die den auf dieser Welt zu tragenden Kummer des Admirals aufzeigen, an den französischen Schriftsteller Marie-Henri Beyle, der zudem als Soldat in der Armee von Napoleon gedient hat und, wie in einem der reimenden Verse zu lesen ist, unter dem Pseudonym Stendhal bekannt wurde.

Aufs Korn nimmt der Cartoonist auch all diejenigen, die dogmatisch ein Ziel verfolgen, indem sie sich blind der Hoffnung hingeben, allein die Teilnahme an einem Kurs Bauch-Beine-Po würde schon die gewünschte Gewichtsreduzierung bringen, wobei er es mit dem sich selbst „subkortikal“, am offenen Gehirn operierenden Admiral auf die Spitze treibt. All zu gewöhnlich erscheint auch der Blick in eine Gastwirtschaft, in der, vom Admiral abgesehen, sämtliche Besucher mit einem digitalen Gerät, das aus dem Leben vieler gar nicht mehr wegzudenken ist, beschäftigt sind. Schließlich ist jeder Mensch auf der Suche nach einem Schuldigen, wenn das Leben nicht den gewünschten Verlauf genommen hat. So beschuldigt der Admiral seine Eltern, ihm nicht das richtige Erbmaterial vermacht zu haben.

Henning Christiansen provoziert mit seinen Cartoon-Erzählungen bis aufs Äußerste. Er kennt keine Tabus, aber gerade mit diesen extrem übertriebenen Darstellungen hilft er dem interpretierenden Betrachter, sich, oder wie es der Autor empfiehlt, seinen „inneren Admiral“ zu erkennen. Die kurzen Reime sind in kürzester Zeit gelesen, doch erst die scharfsinnigen Karikaturen laden zum Nachdenken und besonders auch zum Schmunzeln ein.

Der Admiral von Henning Christiansen

Der Admiral
KJM Buchverlag 2022
Hardcover mit Schutzumschlag
96 Seiten
ISBN 978-3-96194-174-2

Bildquelle: KJM Buchverlag
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