Das verlorene Kleid von Jade Beer

Das verlorene Kleid von Jade BeerZu ihrem zweiunddreißigsten Geburtstag bekommt Lucille von ihrer geliebten Granny Sylvie zwei Nächte in einem Pariser Hotel geschenkt. Allerdings knüpft die fast Neunzigjährige daran die Bedingung, dass ihre Enkelin schon morgen aufbricht und das von Dior entworfene Kleid Maxim mitbringt, das sie einer alten, inzwischen gestorbenen Freundin geliehen hatte. Deren Tochter Véronique würde Lucille bereits erwarten.

Der Chef von Lucille, die in London als Reisejournalistin arbeitet, zeigt kein Verständnis für den unerwarteten Ausfall, doch Lucille kann ihrer Granny den ihr offensichtlich so viel bedeutenden Wunsch nicht abschlagen. In Paris fühlt sie sich augenblicklich vom „sexy Glanz verführt“ und ist beeindruckt, wie herzlich sie von Véronique empfangen wird. Doch zu ihrer Enttäuschung ist das Kleid nicht mehr in deren Besitz. Dafür aber eine Schachtel mit Designer-Etiketten, die zu insgesamt acht Kleidern einer Dior-Kollektion gehören und neben eingravierten Daten und Sprüchen die Initialien A&A aufweisen. Lucille fragt sich, was das alles zu bedeuten hat. Ihre Recherche führt sie zuerst zu León, der sich jedoch wenig interessiert und schon gar nicht hilfsbereit zeigt. Umso mehr wundert sich Lucille, dass er sie einen Tag später anruft.

Es ist das Jahr 1952: Die fünfundzwanzigjährige Alice Ainsley ist mit Albert verheiratet, dem britischen Botschafter in Frankreich. Seit der Eheschließung ist gerade ein Jahr vergangen, da hat der fast doppelt so alte Albert längst das Interesse an Alice verloren und verhält sich ihr gegenüber ablehnend. Zudem ist ihm ein Dorn im Auge, dass die Pariser Gesellschaft seine hübsche junge Frau ihm vorzieht. Auf einem der zahlreichen Empfänge wird ihr Madame du Parcq mit ihrem Sohn Antoine vorgestellt, der nur oberflächlich, was Kleidung und Frisur anbelangt, die Etikette wahrt. Doch gerade diese nicht ganz gesellschaftsfähige Erscheinung weckt Alices Interesse an dem jungen Studenten.

Im Dior-Stadthaus von Paris ist Alice bei den Modenschauen ein gern gesehener Gast. Zu ihrer Freude trifft sie dort auf Antoine, der ihr zum Abschied eine geheime Nachricht mit der Bitte um ein Treffen zusteckt. Obwohl Alice weiß, welche Konsequenzen das haben kann, trifft sie sich mit ihm. Längst hat Antoine durchschaut, wie unglücklich sie ist und fragt, ob sie so weiterleben kann. Ihr ist klar, dass ihre Ehe ein Fehler war und sie ihrem Mann nur zu Repräsentationszwecken dient. Um sich zumindest für einige Stunden ein klein wenig Glück zu verschaffen, muss sie ihr Hausmädchen Anne ins Vertrauen ziehen, die sie allerdings vor den Folgen warnt.

Jade Beer erzählt ihren Roman „Das verlorene Kleid“ in zwei Handlungssträngen: Im Erzählstil berichtet sie von den Ereignissen zu Beginn der 1950er Jahre, in denen Alice sich von ihrem Ehemann zurückgewiesen fühlt und erkennen muss, dass ihr nicht zugestanden wird, was zumindest für die Herren der oberen Gesellschaft dieser Zeit als völlig normal galt. Die Autorin macht in diesem Zusammenhang auch deutlich, dass Mädchen von ihren Müttern bereits auf ihre spätere Rolle als Ehefrau dahingehend erzogen wurden, dass sie ihrem Ehemann niemals Grund zur Klage geben und seine Aktivitäten nicht hinterfragen durften sowie dankbar dafür sein sollten, wenn sie gut versorgt waren. In den sich abwechselnden Handlungssträngen berichtet Lucille in der Ich-Form. Sie muss nicht nur die Geheimnisse aufdecken, die hinter den Dior-Kleidern stecken, sondern hat dazu noch jede Menge Ärger mit ihrem Chef und ihrer sich nie um sie kümmernden Mutter, mit der sie kein gutes Verhältnis hat.

Erwartungsgemäß geht es in dem Roman „Das verlorene Kleid“ um sehr detaillierte Beschreibungen von Stoffen und realen Kleidern, die Christian Dior entworfen hat und die Jade Beer bei einer Ausstellung im Londoner Museum bewundern durfte, wie sie in ihrer Danksagung schreibt. Sie führt den Leser durch die Stadt der Liebe, so dass es auch nicht verwundert, wenn es im Plot um sich anbahnende zarte Bande und eine Affäre geht, der aufgrund des literarischen Könnens der Autorin jegliche Form von Trivialität fehlt. Leider können an dieser Stelle einige Kritikpunkte sowie Ungereimtheiten nicht aufgelistet werden, da sie entscheidende Entwicklungen des Romans, denen der Leser entgegenfiebert, vorwegnehmen würden. Grundsätzlich ändern diese aber nichts an seinem Interesse am weiteren Handlungsverlauf und er fragt sich lange, was die Geschichte der unglücklichen Alice Ainsley mit Lucilles Granny verbindet. Ein insgesamt faszinierender und äußerst berührender Roman!

Das verlorene Kleid von Jade Beer

Das verlorene Kleid von Jade Beer
Übersetzung von Uta Baubin
Diana Verlag 2022
Klappenbroschur
448 Seiten
ISBN 978-3-453-36124-9

Bildquelle: Diana Verlag
PGltZyBsb2FkaW5nPSJlYWdlciIgc3JjPSJodHRwczovL3ZnMDUubWV0LnZnd29ydC5kZS9uYS8wMTM3MmZkYjliNjg0ZTQ3OTZkNjg5ZjBiZTk0MzU3OSIgd2lkdGg9IjEiIGhlaWdodD0iMSIgYWx0PSIiPg==

Teile diesen Beitrag