Oberkommissarin Helene Christ von der Kriminalpolizei Flensburg wird von ihrem Kollegen Nuri Önal ein Leichenfund in der Feldmark bei Estoft gemeldet. Als beide am Fundort eintreffen, erfahren sie vom Dorfpolizist Mommsen, dass es sich bei dem Toten um den bei allen Dorfbewohnern unbeliebten Bauern und Jäger Enno Brodersen handelt. Der Gerichtsmediziner stellt fest, dass dieser bereits vor drei Tagen mit einem Schuss in die Brust getötet wurde, was auch den von ihm ausgehenden starken Geruch und die „Blutmöwen“ erklärt, die sich bereits über die Leiche hergemacht haben. Die weiteren Ermittlungen ergeben, dass es sich bei der Tatwaffe um das Gewehr von Enno Brodersen handelt, das neben ihm gefunden wurde. Wie Kay Nissen von der Spurensicherung feststellt, wurden Latexhandschuhe beim Abfeuern der Waffe benutzt, weshalb die Ermittler einen Unfall ausschließen und von Mord ausgehen.
Helene Christ ist erstaunt, dass Karsten die Nachricht vom Tod seines Vaters so gefasst aufnimmt. Er macht keinen Hehl daraus, dass sein Vater häufig angetrunken war und er den Tyrann nicht mochte. Im Gespräch mit seiner Schwester Rina, die ebenfalls nicht um ihren Vater trauert, erfährt Helene, dass ihre gläubige Mutter, die stets eine Bibel auf dem Schoß hält und kaum ein Wort sagt, nur einen Vertrauten kennt, nämlich den Pastor. Zufällig hört Nuri Önal in einem Gasthaus, wie Dorfbewohner von einem heftigen Streit reden, den es zwischen Enno Brodersen und Hauke Dierksen gegeben haben soll. Hauke soll sogar damit gedroht haben, Enno zu erschießen, womit Hauke zum Kreis der Verdächtigen gehört. Aber auch Karsten Brodersen wird des Mordes verdächtigt, da er der Erbe des Hofes ist. Die Ermittlungen machen keine Fortschritte, bis Helene die Dienstvorschriften missachtet und ihren pensionierten Chef ins Boot holt.
Bei der Lektüre des Kriminalromans „Blutmöwen“ wird deutlich, dass es H. Dieter Neumann besonders um die Darstellung der Lebensumstände seiner Handlungspersonen und ihre Gefühlswelt geht. Dass Helene Christ die Ehefrau des Ermordeten nur in sich gekehrt antrifft, ist in deren hartem Leben begründet. Wie viele junge Mädchen ihrer Zeit, musste sie nach Beendigung der Schule auf einem Bauernhof von früh bis spät schwere Arbeit verrichten. Die folgenden Jahre der unglücklichen Ehe mit dem hartherzigen Enno hat sie stillschweigend ertragen. Ihre beiden Kinder Karsten und Rina haben sich frühzeitig von ihrem Elternhaus gelöst, doch jeder hadert und verarbeitet sein Schicksal auf seine Weise.
Die Fokussierung auf die Probleme der Protagonisten und ihre menschlichen Abgründe schließt aber in keinster Weise aus, dass der Leser von Anfang an am Fortgang der Handlung und Auflösung des Falles interessiert ist. Der Plot verzichtet zwar auf actiongeladene Szenen, doch spätestens ab dem Zeitpunkt, an dem der frühere Leiter der Mordkommission und Chef von Helene die Bühne betritt, wird es richtig spannend, und H. Dieter Neumann zieht in seinem Küsten-Krimi „Blutmöwen“ mit nicht vorhersehbaren Wendungen noch einen Trumpf aus dem Ärmel.