Babas Vermächtnis von Michael Hetzner

Swetlana, die Tochter des russischen Waffenhändlers Wladimir Wladimirowitsch und der erfolglosen Theaterschauspielerin Tatjana Valentina, lebt mit ihren Eltern in einer Villa in dem Hamburger Nobelviertel Harvestehude. Ihr Vater, der große Rasputin, hat es mit seinen Geschäften zu erheblichem Reichtum gebracht. Als Nichte des russischen Präsidenten, dem kleinen Rasputin, gehört sie zu den Privilegierten. Von ihrem Vater hat sie früh gelernt, dass man in Russland mit den richtigen Scheinchen jedes Problem aus der Welt schaffen kann, doch die Deutschen sind furchtbar kleinlich.

Als Swetlana am frühen Morgen durch die Salven einer Kalaschnikow im schallisolierten Schießstand des Hauses, in dem der große Rasputin seinem Hobby nachgeht, geweckt wird, beschließt sie, heute zur Schule zu gehen, um Oberstudienrat Bismarck eine Freude zu machen. Nach einer langen Dusche im Bad steht sie in ihrem begehbaren Kleiderschrank und muss sich entscheiden: Soll sie ein Kleid von Prada oder Valentino anziehen? Sie wählt eines von Dolce & Gabbana, dazu ein paar Sandaletten von Jimmy Choo, eine Schultertasche von Gucci und eine Armbanduhr von Bulgari.

Oberstudienrat Bismarck, von den Schülern nur Hering genannt, ist sehr erfreut, als seine Lieblingsschülerin das Klassenzimmer betritt. Obwohl Swetlana nur gelegentlich die Schule besucht, ist sie in allen Fächern, außer Mathematik, eine Einser Schülerin. Sie kann sich einfach alles merken, eine Begabung, die sie von Baba, ihrer Großmutter, geerbt hat. Ein neuer Mitschüler, der in der Klasse am Englischunterricht teilnehmen soll, wird von Hering ausgerechnet neben Swetlana platziert. Wie sich herausstellt, ist Melvin ein Genie, das bereits an seiner Dissertation in Mathematik arbeitet und Swetlana ist überzeugt, dass dieser Nerd zu ihr passen könnte. So setzt sie alle Hebel in Bewegung, um Melvin für sich zu gewinnen. Doch auf einer Reise nach St. Petersburg erweist sich der vermeintliche Traummann als Reinfall.

Auf den ersten Seiten des Romans “Babas Vermächtnis” von Michael Hetzner entsteht zunächst der Eindruck, dass es sich um die Geschichte einer verwöhnten Tochter aus reichem Hause handelt, die mit einem Maserati zur Schule fährt und die sich arrogant und herablassend verhält. Doch wird im weiteren Verlauf deutlich, welch innige Beziehung die Protagonistin zu ihrer verstorbenen Baba hatte, der sie ein Versprechen gab. Das Sternbild des Einhorns werde ihr den Weg weisen, meinte ihre Großmutter damals, und um ihren letzten Wunsch zu erfüllen, begibt sich Swetlana auf die Suche nach ihrem Platz im Leben.

Michael Hetzner hat die eigentliche Handlung des Romans “Babas Vermächtnis” im Jahr 2018 angesiedelt, wobei er Kapitel mit Rückblicken eingefügt hat, um einige Hintergründe zu verdeutlichen. Immer wieder greift der Autor die sozialen und politischen Missstände in Russland auf und macht dabei mit einem Wortspiel auch nicht vor dem russischen Präsidenten halt, den als den kleinen Rasputin bezeichnet. Passend zum Handlungsablauf werden an einigen Stellen Auszüge aus dem Werk der russischen Dichterin Anna Achmatowa zitiert, die während der stalinistischen Herrschaft Schreibverbot hatte. So ergibt sich am Ende ein rundum gelungenes Werk, das zum einen mit einer unterhaltsamen Handlung, und zum anderen mit gesellschaftskritischen Tönen über das korrupte Regime in Russland punkten kann.