Vergänglich von Sabine Fitzek

VergänglichSabine Fitzek stellt in ihrem Kriminalroman „Vergänglich“ zwei Einzelschicksale vor: Da gibt es den wohlhabenden, über siebzigjährigen Theodor von Hausmann, dessen Ehefrau sich nach der Scheidung das Leben nahm und der nunmehr mit der wesentlich jüngeren Nadja liiert ist, für die nur ausgiebiges Shoppen zählt. Als er wegen einer Schwäche im Fuß eine Ärztin konsultiert, kann er nicht glauben, dass sie die Diagnose ALS, amyotrophe Lateralsklerose, stellt, eine Erkrankung des motorischen Nervensystems. Zu seinen Kindern Valentin und Melanie hat Theodor kein gutes Verhältnis mehr, weshalb er in seinem Testament gegen den Rat seines Freundes und Notars Frank Möbius verfügt hat, dass sie lediglich ihren Pflichtteil erhalten sollen. Nach einer dreimonatigen Kreuzfahrt geht es ihm zunehmend schlechter. Er wendet sich an den Heilpraktiker Terbrüggen, der ihm eine Adresse in der Schweiz für Sterbehilfe vermittelt.

In einem zweiten Handlungsstrang geht es um Antonia Pichlmeier, die den landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern nicht übernehmen will. Als sie ihnen erklärt, in Berlin ein Studium aufnehmen zu wollen, kommt es zum Eklat. Hals über Kopf will die junge Frau das Elternhaus heimlich in der Nacht verlassen, wobei sie zufällig mit anhört, ein Adoptivkind zu sein. In Berlin kommt Antonia in einer Wohngemeinschaft bei der Medizinstudentin Charlotte und zwei weiteren Bewohnern unter. Mit Jobs hält sie sich über Wasser. Als sie auf dem linken Auge keine Farben mehr erkennt, rät ihr Charlotte zur Abklärung. Wie sich herausstellt, handelt es sich um die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose, doch alle Warnungen der Ärzte nach einer medikamentösen Behandlung schlägt Antonia in den Wind. Zumindest finanziell scheint sie endlich ausgesorgt zu haben, da ihr eine große Erbschaft ihrer biologischen Mutter winkt. In einer radiologischen Praxis lernt sie Ludger kennen, der ihr von allen Behandlungen abrät und sie stattdessen dem Heilpraktiker Terbrüggen vorstellt.

Wer sich aufgrund des Klappentextes zum Kauf des Buches veranlasst sieht, wird eine Enttäuschung erleben. Denn der an dieser Stelle zu einem Todesfall gerufene Hauptkommissar Mathias Kommowski tritt erst nach der Hälfte im zweiten Teil des Kriminalromans „Vergänglich“ mit seiner Kollegin Svenja in Erscheinung. Als die Ermittler nach dem Leichenfund von Theodor endlich auf den Plan treten, finden sie zwar einen Abschiedsbrief, in dem von der Inanspruchnahme der Sterbehilfe in der Schweiz und dem freiwilligen Ausscheiden aus dem Leben die Rede ist, doch glaubt seine Tochter Melanie an Mord. Ihr Verhältnis zum Vater hätte sich gebessert und er wollte noch vor seinem Suizid mit ihr nach Norderney fahren. Nach und nach entdecken Kommowski und seine Kollegin weitere Ungereimtheiten. Eine Verbindung der beiden Handlungsstränge ergibt sich erst, als der Kommissar von seiner Tochter Charlotte erfährt, dass sie aus der Wohngemeinschaft eine Frau kannte, die einen Mann namens Ludger geheiratet hat und zunehmend kranker und schwächer wurde.

Sabine Fitzek beschreibt anhand ihrer Protagonistin Antonia das unter dem Namen Stockholm-Syndrom bekannt gewordene Phänomen, bei dem ein Opfer Sympathien für den Täter entwickelt. Tatsächlich fallen der kranken jungen Frau immer mehr sich summierende Merkwürdigkeiten an Ludger auf, doch da er sich offenkundig liebevoll um sie bemüht, insistiert sie nicht weiter und gibt auf. Dazu kommt, dass sie zunehmend schwächer wird, durcheinander ist und viel schläft. Die Autorin hat selbst als Chefärztin gearbeitet und schreibt ausführlich über die Missstände mit den sogenannten Fallzahlen bei den Abrechnungen praktizierender Ärzte mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Zudem klärt sie auf die bestehende Rechtslage zum selbstbestimmten Sterben auf und beklagt den Spießrutenlauf Behinderter bei Anträgen an die Krankenkasse. Auch wenn der Plot in einem flüssigen Schreibstil gehalten und der Schluss wirklich spannend geschrieben ist, zieht sich das Geschehen um Antonia doch recht zäh in die Länge. Etwas weniger wäre hier mehr gewesen.

Vergänglich von Sabine Fitzek

Vergänglich
Knaur Verlag 2023
Taschenbuch
352 Seiten
ISBN 978-3-426-52923-2

Bildquelle: Knaur Verlag
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