Während des ersten Elternsprechtags seines Lebens versucht der junge Lehrer Fabian Dreher, eine Aufstellung der besten Deutschen Fußball-Nationalmannschaft aller Zeiten zu Papier zu bringen, denn er hat mit seinem Kumpel Gibbel um einen Kasten Bier gewettet, dass er eine bessere Elf aufstellen kann als sein Freund. Die einschläfernde Langeweile des Elternsprechtags macht ihn müde, woran der vorherige Abend, an dem er sich mit seinem Lehrerkollegen Herbert zum „Komma-Saufen“ getroffen hat, nicht ganz unschuldig ist, denn sie müssen bei diesem Spiel die Deutsch-Diktate ihrer Schüler korrigieren und für jeden Komma-Fehler einen Sambuca trinken. Auch nach drei Aspirin-Tabletten ist Fabian Dreher mit seinen Kräften immer noch am Ende und folgt nur gelangweilt den Ausführungen der Eltern, die ihre Kinder für Intelligenzbestien halten.
In den Pausen sind die Flure der Gesamtschule meist leer, da die Schüler bei jedem Wetter das Gebäude verlassen und die Pausen auf dem Schulhof verbringen müssen. Fabian nutzt diese Zeit, um im Lehrerzimmer einen Kaffee zu trinken. Dort verwickelt ihn sein Kollege Herbert in ein Gespräch, und erst viel zu spät macht er sich auf den Weg in den Unterricht. Ausgerechnet in dieser Situation läuft er Herrn Direktor Kaiser über den Weg, der ihm eröffnet, dass er ihn dringend sprechen möchte. Dieser hat sich die Klausuren von Fabians Klasse angesehen, die eine Katastrophe sind, und er ist auch mit den Leistungen des jungen Lehrers unzufrieden. Eine Lernstandserhebungen in sechs Wochen sind Fabians letzte Chance, denn sollte das Ergebnis nicht akzeptabel sein, würde der Direktor verhindern, dass Fabian verbeamtet wird, und er würde ihn zum Jahresende entlassen. Seine Schüler aus der Klasse 9a sind die Einzigen, die ihn jetzt noch retten können.
Als in der Zwischenzeit seine Freundin Tine, die für ein Jahr nach Mexiko gegangen ist, bereits nach neun Monaten plötzlich vor ihm steht, kommen weitere Probleme auf Fabian zu, denn sie hat sich während ihres Aufenthalts in Mexiko zu einer Tierschutzaktivistin entwickelt. Sie ernährt sich inzwischen ausschließlich vegan und will auch Fabian überzeugen, keine Tierprodukte mehr zu konsumieren. Wofür der allerdings kein Verständnis hat und deshalb zum Stammkunden in der Dönerbude um die Ecke wird.
Der Roman „Morgens leerer, abends voller“ wird von Tobias Keller in zwei Handlungssträngen erzählt, wobei der Elternsprechtag der Ausgangspunkt für Rückblicke auf vorangegangene Ereignisse ist. Sehr anschaulich wird die Entwicklung dargestellt, die der Junglehrer Fabian Dreher durchläuft, der es sich an einer Gesamtschule in einem sozialen Brennpunkt im Süden von Crange auf einem aussichtslosen Posten bequem gemacht hat. Erst eine drohende Nichtverbeamtung und Versetzung ins Sauerland rütteln ihn aus seinem Alltagstrott auf und motivieren ihn, neue Wege zu gehen. Auch wenn einige Szenen stark überzogen sind und satirisch anmuten, hat der Autor den heutigen Schulalltag sehr treffend geschildert. Seine Charaktere sind authentisch und reflektieren den Menschenschlag im Ruhrgebiet. Mit dem Roman „Morgens leerer, abends voller“ von Tobias Keller erwartet den Leser eine im lockeren Schreibstil verfasste Geschichte, die ihn nicht nur köstlich amüsiert und bestens unterhält, sondern ihm auch einige Einblicke in die Realität an deutschen Schulen mit hohem Migrationsanteil gewährt.
Morgens leerer, abends voller von Tobias Keller
dtv 2016
Taschenbuch
332 Seiten
ISBN 978-3-423-21619-7