Lass uns tanzen, Fräulein Lena von Hanna Aden

Lass uns tanzen, Fräulein LenaIn der Fortsetzung des Romans I love you, Fräulein Lena* ist die zwanzigjährige Lena Buth, der mit ihrer Schwester Margot die Flucht aus Pommern nach Niebüll in Nordfriesland geglückt ist, in einem Pfarrhaus und Margot bei der Mutter des Apothekenhelfers Rainer untergekommen. Der Vater der beiden Schwestern ist als Pastor bei seiner Gemeinde in Greifenberg geblieben, während es die Mutter mit Schwester Lieselotte in ein Flüchtlingslager in Dänemark verschlagen hat. Wie vom Vater fehlt auch von den Brüdern jegliches Lebenszeichen. Um den Lebensunterhalt bestreiten zu können und für ihren Traum zu sparen, eines Tages als Ärztin zu praktizieren, arbeitet Lena für die britische Besatzungsregierung als Übersetzerin und hilft Fräulein Gerdes bei der Wäsche.

Doch nach Kriegsende sind die vielen Flüchtlinge, die einen seltsamen Dialekt sprechen, bei den Einheimischen nicht gern gesehen. Es hält sich das Gerücht, dass sie stehlen. Doch das reicht Gisela, der ehemaligen Verlobten von Rainer, nicht. In ihren Augen hat ihr das verhasste „Rucksackfräulein“ Rainer ausgespannt. Lena ihrerseits zweifelt, ob er überhaupt etwas für sie empfindet, zumal er nie versucht hat, sie zu küssen. Gisela lässt unterdessen ihrer Fantasie freien Lauf, indem sie die übelsten Gerüchte gegen Lena streut. Umso glücklicher ist Lena über die aus Berlin stammende neue Arbeitskollegin Dorothee, die frühzeitig zur Witwe wurde. Mit ihr geht sie zum Tanz der neuen Musikrichtung Jazz und Swing und genießt das Leben wie schon lange nicht mehr.

Zwischenzeitlich ist auch Erwin Olsen aus dem Krieg heimgekehrt, den Rainer aus der Kindheit vom Fußballplatz kennt. Wie Rainer von Lena erfahren hat, war sein Schwager Joachim bei der SS, der Totenkopf-Staffel, als Aufseher im Vernichtungslager Treblinka. Als Erwin, der wegen seiner politischen Aktivitäten selbst in einem Lager inhaftiert war, zu Ohren kommt, dass Joachim nicht nur frei leben darf, sondern auch noch das Bürgermeisteramt in Niebüll anstrebt, ist für ihn eine rote Linie überschritten. Er wendet sich an Rainer, was nicht ohne Folgen für die Beziehung zu Lena ist. Immerhin macht sie sich Hoffnungen auf eine Zusammenführung mit Mutter und Schwester, da Fräulein Gerdes zur Aufnahme von Mietern verpflichtet ist und darüber nachdenkt, an Lena das Zimmer im Dachboden zu vermieten.

Warum Rainer an Krücken geht, dem in Russland Zehen abgefroren sind, erfährt der Leser in dem Folgeroman „Lass uns tanzen, Fräulein Lena“ von Hanna Aden leider nicht sofort. Wegen seiner Behinderung fühlt er sich zunehmend minderwertig, was wiederum Auswirkungen auf sein nicht unbefangenes Auftreten gegenüber Lena hat. Gisela, die hinterhältige und rachsüchtige Pläne verfolgt, um doch noch mit Rainer zusammenzukommen, hat selbst Probleme im Zusammenleben mit ihrer sie nicht liebenden Mutter, und Erwin fühlt sich an seinen Schwur gebunden, den er seinen Genossen im Lager gegeben hat, zumal er davon überzeugt ist, dass auch bei den Nürnberger Prozessen die Rechtsprechung auf Seiten der einstigen Nazis ist. Leider sind tatsächlich viele von ihnen freigesprochen worden und konnten so im Nachkriegsdeutschland hohe und einflussreiche Posten beziehen.

Hanna Aden macht in ihrem Roman deutlich, warum so viele Menschen das Vergangene am liebsten ungeschehen gemacht hätten. Weil das in den Konzentrationslagern Geschehene ihre Vorstellungskraft schlicht und ergreifend überfordert hat, haben sie den Mantel des Schweigens darüber gedeckt. Sie haben verdrängt, weil sie anders nicht gewusst haben, wie sie mit dem Wissen weiterleben sollten. Wie im Plot eindrucksvoll und realitätsnah zu lesen ist, verwandelt ein Krieg friedliche und gutherzige Familienväter in Monster. Der Roman vermag den Leser von Anfang an zu fesseln und besonders das Zusammentreffen einiger Protagonisten in Flensburg entfacht die Neugier auf den weiteren Handlungsverlauf noch einmal enorm.

Lass uns tanzen, Fräulein Lena von Hanna Aden

Lass uns tanzen, Fräulein Lena
Penguin Verlag 2024
Klappenbroschur
352 Seiten
ISBN 978-3-328-60368-9

Bildquelle: Penguin Verlag


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