Die Zelle in der JVA Düsseldorf ist nur „Acht Quadratmeter“ groß, in der sich Dr. Hannah Corvin nach zähen Stunden in Polizeigewahrsam wiederfindet. Der Medizinerin wird zweifacher Mord sowohl an ihrem Verlobten Bernd, als auch ihrer besten Freundin Minou vorgeworfen. Hannah erinnert sich nur daran, dass sie Minou zur Rede stellen wollte, weil diese ein Verhältnis mit Bernd unterhielt. In deren Wohnung fand Hannah jedoch ihre Freundin und ihren Verlobten ausgestreckt auf dem Boden liegend vor, bevor sie in eine tiefe Bewusstlosigkeit fiel. Als sie erwachte, wollte sie dem noch atmenden Bernd helfen. Doch ein Nachbar untersagte ihr das, hielt sie für die Mörderin und hat die Polizei alarmiert.
Für Jens Spikowski und Sonja Lorenz von der Mordkommission sieht es nicht unbedingt so aus, dass Hannah die Tat begangen hat, auch wenn in deren Handtasche Spritzen und Ampullen des Muskelrelaxans gefunden wurden, das den Opfern in die Oberschenkel injiziert wurde. Auch hat man beim Toten Kratzspuren entdeckt, die DNA-Analyse ergab jedoch keine Spuren unter Hannahs Fingernägeln. Obwohl der Staatsanwalt ganz klar von einer Beziehungstat ausgeht, wollen die beiden Ermittler den Unstimmigkeiten auf den Grund gehen und von Hannahs Kollegen im Krankenhaus mehr über sie in Erfahrung bringen. Für die Inhaftierte bringt jeder Tag neue, unangenehme Überraschungen und der Antrag ihres Anwalts, sie auf Kaution frei zu lassen, wird mit der Begründung abgelehnt, dass Fluchtgefahr besteht.
Candida Schlüter schildert in ihrem Kriminalroman „Acht Quadratmeter“ sehr eindringlich und anschaulich den Alltag in einer Vollzugsanstalt, den sie selbst aus nächster Nähe studieren konnte. Allein die entwürdigende Aufnahmeprozedur beschreibt sie detailliert, was schockiert und zumindest für einen unschuldig Verurteilten Mitgefühle erweckt. Dass in unserem Land, in dem die Bürokratie einen breiten Stellenwert einnimmt, alles akribisch notiert wird und Verhaltensregeln für Gefangene sogar in einem Untersuchungshaftvollzugsgesetz niedergeschrieben stehen, verwundert nicht. Schonungslos bringt die Autorin dem Leser die brutale Realität im Umgang der Inhaftierten untereinander näher und zeichnet anhand der Zellennachbarin von Hannah einen gescheiterten Lebensweg nach. Sie informiert auch darüber, dass selbst bei in Haft geleisteter Arbeit keine Beiträge für die Sozial- und Arbeitslosenversicherung eingezahlt werden und bemerkt an einer Stelle kritisch, wie wohl die Gefangenen bei einem Feuerausbruch in Sicherheit gebracht werden sollen.
Obwohl Hannah sich in der Haft gegen die Erpressung ihrer Zellennachbarin zur Wehr setzen muss und berechtigte Ängste aussteht, die das Interesse des Lesers am Fortgang des Geschehens wecken, wartet der Kriminalroman weder mit überraschenden Wendungen auf, noch präsentiert Candida Schlüter mehr als nur einen Verdächtigen, den es zu entlarven gilt. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, ihn bewusst durch geschickte Wendungen auf eine falsche Fährte zu locken. Da den Ermittlern von Anfang an Unstimmigkeiten auffallen, die Hannah nicht als Mörderin ausweisen, ist das Ende etwas enttäuschend, wenn die einzige, sich verdächtig machende Person letztlich auch überführt werden kann. Trotz dieser Schwäche ist der in einem flüssigen Schreibstil gehaltene Krimi wegen seiner Einblicke in den Haftalltag und guter medizinischer Recherchen nicht zu verachten.
Acht Quadratmeter von Candida Schlüter
Grafit Verlag 2017
Taschenbuch
268 Seiten
ISBN 978-3-89425-489-6